Buchkritik -- Acemoglu / Robinson -- Warum Nationen scheitern

Umschlagfoto, Warum Nationen scheitern, InKulturA Warum sind manche Staaten reich, andere dagegen arm. Unterliegt Prosperität historischen Gesetzen, die, werden sie von den jeweiligen Regierungen befolgt, automatisch zu Wohlstand und nationalem Reichtum führen?

Der Ökonom Daron Acemoglu und der Politologe James Robinson geben auf diese Frage eine einfache Antwort. Nationen, die auf rechtsstaatlichen Prinzipien aufgebaut sind, in denen es eine funktionierende Demokratie und zuverlässige Institutionen gibt und die der Freiheit des Individuums einen hohen Stellenwert beimessen, sind wirtschaftlich erfolgreich.

In Staaten, in denen es dagegen keine funktionierende Demokratie gibt, die ihre Bürger diktatorisch regieren und in denen das Individuum eher als Bedrohung der Herrschenden betrachtet wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Wirtschaftssystem nur mäßig ausgeprägt ist.

In Europa wurden die Weichen, folgt man der Argumentation der beiden Autoren, bereits um das Jahr 1600 gestellt. England, Frankreich und Spanien hatten politisch vergleichbare Ausgangsposititionen, jedoch nur England gelang es, sich den neuen historischen Herausforderungen anzupassen.

Im Gegensatz zu Spanien, das auf das Gold aus seinen südamerikanischen Kolonien zurückgreifen konnte, war Elisabeth I. gezwungen, zur Finanzierung der Staatsausgaben Steuern zu erheben. Diese waren jedoch nicht durchzusetzen, ohne die Beteiligung der Bevölkerung. Daraus entwickelte sich fast zwangsläufig der englische Parlamentarismus. Einmal in Bewegung gekommen, war das politische Selbstbewusstsein der englischen Bürger nicht mehr zu stoppen. Die daraus resultierende zunehmende individuelle Freiheit führte ihrerseits zu einem wahren Feuerwerk an Ideen und Innovationen.

Es sind, so Acemoglu und Robinson, die politischen Systeme, die den Schlüsselfaktor für den nationalen Erfolg oder Misserfolg bedeuten. Erstaunlich für einen Ökonomen wie Acemoglu ist die Tatsache, dass er nicht die unter seinen Kollegen so beliebte Präferenz des Marktes proklamiert, sondern die Meinung vertritt, dass der Staat - eben die politischen Institutionen - dafür sorgen muss, dass die richtigen Anreize geschaffen werden und darauf zu achten, wie die Macht im Staat verteilt ist.

Beschränkt sich diese Machtverteilung auf einen kleinen elitären Kreis, so können die politischen Institutionen absolutistisch regieren und die Mehrheit der Bürger von der politischen Entscheidung ausgeschlossen. Dass aus solch einem System jedoch nur ein wirtschaftlich erfolgloses wird, ist evident. Nordkorea ist für die Autoren das klassische Negativbeispiel.

Inklusive und extraktive Systeme, so Acemoglu und Robinson, stehen sich nicht nur historisch diametral gegenüber und nur erstere sind aufgrund ihrer Flexibilität und der Förderung individueller Möglichkeiten erfolgreich, oder wie die Autoren es ausdrücken: "Politische Institutionen, die ausreichend zentralisiert und pluralistisch sind, nennen wir inklusiv. Wenn eine der beiden Bedingungen nicht zutrifft, bezeichnen wir sie als extraktive politische Institutionen."

Jedoch kann es auch einem extraktiven System eine Zeit lang gelingen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. So war die Planwirtschaft der UdSSR durch extensives Wirtschaften - die Sowjetunion war ein riesiges und rohstoffreiches Land - dazu in der Lage, die Fehler dieses Wirtschaftssystems zu kaschieren. Erst als die Planwirtschaft sich als unfähig erwies, die, wie Acemoglu und Robinson es nennen, "schöpferische Zerstörung" anzuwenden, das radikal Neue zu planen und umzusetzen, war ihr wirtschaftlicher und schlussendlich auch politischer Untergang besiegelt.

Es war genau dieser Prozess der "schöpferischen Zerstörung", der den Aufstieg Europas und Nordamerikas bedeutete. Natürlich, und da ist den Autoren recht zu geben, tragen die europäischen Kolonialnationen eine große Verantwortung für die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Zustände in ihren ehemaligen Kolonieen. Trotz inklusiver Prinzipien im Inland, unterstützten Nationen wie Großbritannien und Spanien, aber auch die USA extraktive Systeme in ihren jeweiligen Einflussgebieten. An dieser historischen Last tragen afrikanische und südamerikanische Staaten noch immer schwer.

"Warum Nationen scheitern" ist ein Buch, das mit einer auf den ersten Blick einfachen Antwort auf die Frage nach dem politischen und wirtschaftlichen Versagen bestimmter Staaten daherkommt. Erst zum Schluss des Buches werden die Autoren deutlich und unterziehen die bisher angewandte Praxis der Entwicklungshilfe einer herben Kritik. Viel Geld hilft nicht immer viel. Erst wenn es gelingt, in den "armen" Nationen große Bevölkerungsgruppen zu aktivieren und sie am wirtschaftlichen Aufbauprozess - zu dem immer auch ein politischer Aufbauprozess gehört - zu beteiligen, dann erst wird es möglich sein, Fortschritt und Prosperität zu initiieren.

Wird jedoch, wie es aktuell der Fall ist, weiterhin nur die jeweilige Elite des Landes materiell unterstützt, könnte man das Geld auch gleich zum Fenster hinauswerfen. Inklusive Institutionen können auf diese Weise nicht aufgebaut werden.

"Warum Nationen scheitern" von Daron Acemoglu und James Robinson bietet keine sensationell neue Theorie, sondern leistet eher einen Grundkurs in Fundamentalökonomie. Die Autoren ziehen aus ihrer historischen Untersuchung ein profundes Fazit, wissen jedoch auch darum, wie schwer es ist, die zur Bildung inklusiver Systeme so dringend benötigten Prozesse anzukurbeln. Die politischen Verharrungskräfte geben ein starkes Bollwerk gegenüber jeder "schöpferischen Zerstörung" ab.




Meine Bewertung:Bewertung