Buchkritik -- Noah Hawley -- Der Vater des Attentäters

Umschlagfoto, Noah Hawley, Der Vater des Attentäters, InKulturA Was geschieht, wenn eine Familie aus dem Fernsehen erfährt, dass der Sohn ein Attentat auf den demokratischen Präsidentschaftskandidaten der USA verübt hat? Nach dem Schock beginnt die Suche nach Antworten, was ausgerechnet das eigene Kind dazu geführt ist, zu einer Waffe zu greifen und einen Menschen zu ermorden.

Noah Hawley macht diese Konstellation zum Ausgangspunkt seines Romans "Der Vater des Attentäters" und lässt den Vater sich auf eine Reise in die eigene Vergangenheit begeben, um herauszufinden, was und wann mit der Entwicklung seines Sohnes etwas falsch gelaufen ist und warum er letztendlich zu einem politischen Attentäter wurde.

Daniel, der Sohn aus erster Ehe des Arztes Paul Allen, wächst bei seiner psychisch labilen Mutter auf und entfremdet sich mehr und mehr von seinem Umfeld. Unstet reist er durch das Land und wird nirgendwo sesshaft. Sein Studium bricht er ohne Begründung ab und auch sein Vater, der inzwischen eine neue Familie gegründet hat, weiß nur selten, wo sein Sohn sich gerade aufhält.

Nachdem die Medien über das Attentat berichtet haben, beginnt für Paul ein psychisches Martyrium. Selbstvorwürfe und die drängende Frage, ob sein Sohn Daniel ohne die Scheidung einen anderen Lebensweg gewählt hätte, zermürben den Vater. Immer wieder stellt er sich die Frage nach dem "was wäre gewesen wenn?", ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen.

Unfähig, sich mit den Fakten abzufinden, beginnt er mit eigenen Ermittlungen und stößt dabei in der Tat auf einige Ungereimtheiten, die seinen Sohn scheinbar entlasten und auf angebliche Hintermänner des Attentats hinweisen. Seine Verzweiflung schlägt um in eine trotzige Realitätsverweigerung, die sich nicht mit der Schuld seines Sohnes abfinden will. Darüber gerät auch seine zweite Ehe in Gefahr.

Noah Hawley, Film- und Fernsehproduzent sowie Drehbuchautor, hat einen Roman geschrieben, der sich mit einem Tabuthema beschäftigt. Wie kann das eigene Kind zu einem Mörder werden? Welche Dinge sind in der Vergangenheit falsch gelaufen und wie hätte man die Tat verhindern können?

"Der Vater des Attentäters" ist die Geschichte eines verlorenen Sohnes, darüber hinaus aber auch ein Roman über die Wechselwirkung zwischen innerer Befindlichkeit und die von außen auf ein Individuum wirkenden Einflüsse, die sich in der persönlichen Gefühlswelt zu einem manchmal zerstörerischen Emotionscocktail vermischen.

Nach und nach gelingt es Paul, den Lebensweg seines Sohnes bis zu dessen Attentat nachzuvollziehen. Je mehr es ihm gelingt diesen ihm unbekannten Teil des Leben seines Sohnes zu entschlüsseln, desto rätselhafter und unbegreiflicher wird für den Vater die Tat Daniels.

So erfolgreich Paul beruflich auch ist, das Verbrechen seines Sohnes macht aus ihm einen gebrochenen Mann. Als sich Daniel vor Gericht auch noch für schuldig bekennt, bricht für seinen Vater eine Welt zusammen und er muss sich damit abfinden, dass das Leben seine Sohnes in einer Hinrichtungszelle enden wird.

"Der Vater des Attentäters" ist ein geschickt inszenierter Roman über Schuld und Verantwortung, aber auch über die Ohnmacht von Eltern, Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder auszuüben. Dadurch, dass der Roman auf dramatische Höhepunkte verzichtet und stattdessen ausführlich die verzweifelte Suche des Vaters nach dem Grund für die Tat seines Sohnes schildert, ist ein Buch entstanden, das den Leser tief bewegt.




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Veröffentlicht am 11. Mai 2014