Buchkritik -- Thomas Meyer -- Die Unbelangbaren

Umschlagfoto, , InKulturA Politischer Journalismus hat derzeit keinen guten Ruf. Da hilft es wenig, wenn sich ein Teil der schreibenden Zunft das Wort "Qualität" anmaßt, um sich scheinbar von der Boulevardpresse zu distanzieren. Das funktioniert allein schon aus dem Grund nicht, weil inzwischen die Grenze zwischen beiden durchlässig geworden ist. Da die politisch interessierten Leser der von den "Edelfedern" propagierten Sicht der Dinge nicht mehr folgen wollen - die Realität sieht oft anders aus, als vom politischen Journalismus dargestellt - sind die Verlage in finanzielle Not geraten und wirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen, sprich Entlassungen, unvermeidlich.

Einzig die Unbelangbaren, wie Thomas Meyer sie nennt, verstehen es, ihre Position auszunutzen, ins politische Geschehen einzugreifen und, solange sie nicht gegen Strafgesetze verstoßen, dies auch ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, in mehrheitlich verantwortungsloser Manier davon Gebrauch machen.

Die, man ist versucht zu betonen, natürlich Trennungslinie zwischen Politik und Berichterstattung ist aktuell aufgehoben und die Alphajournalisten betreiben weniger das Handwerk der kritischen Beobachtung, sondern agieren distanzlos als Herolde des politischen Tagesgeschäfts, das sie mit ihren Artikeln, die unverhohlen Meinungen transportieren, aber als sachliche Informationen getarnt sind, erst auf den Weg bringen.

"Konsens", so schreibt Thomas Meyer in seinem Essay "Die Unbelangbaren", "steht manchmal am Ende, aber nie am Anfang demokratischer Prozesse. Wo er es doch tut, ist dies ein Alarmsignal, schließlich ist die Abwesenheit von Konflikt und Streit ein Kennzeichen autoritärer Regime." Betrachtet man den aktuellen Zustand der selbst ernannten "Qualitätsmedien", dann stellt der kritische Bürger fest, dass die Presse - das Öffentlich-Rechtliche-Fernsehen sowieso - zusammen mit der Politik ein Kartell der Meinungs- und Deutungshoheit bilden, das, werden dessen Ziele kritisch hinterfragt, den Fragenden automatisch in einer bestimmten politischen Richtung verortet und ihn damit zu einem gefährlichen geistigen Brandstifter stilisiert.

Der Journalismus hat sich inzwischen eine überaus mächtige Position angemaßt, die ihm, funktioniert denn die Gewaltenteilung, nicht zusteht. Der Autor verweist zu Recht auf die unrühmliche Rolle der Medien in der Causa Christian Wulff, dessen Rücktritt als Bundespräsident eine logische Folge übergreifenden Agierens des politischen Journalismus von Boulevard- und Leitmedien gewesen ist und, nicht zu verschweigen, seines eigenen mehr als ungeschickten Verhaltens im Umgang mit denen, die für die veröffentlichte Meinung verantwortlich zeichnen.

Die Konzentration der Medien auf wenige Verlagshäuser, die nicht zuletzt eine Folge des Warencharakters von Nachrichten ist, sorgt für einen inzestuösen Umgang des politischen Journalismus untereinander, da niemand den Mut aufbringt - die Absatzzahlen könnten darunter leiden - eine eigene Meinung zu veröffentlichen, die vom Mainstream abweicht.

Wenn Thomas Meyer allerdings schreibt, dass "... die postmoderne Entideologisierung..." zusammen mit dem Marktprinzip "... die homogenisierende Hermetik der journalistischen Selbstbezüglichkeit..." verschärft, ist ihm nur bedingt zuzustimmen. Es ist mitnichten eine Entideologisierung zu konstatieren, sondern, im Gegenteil, eine fast sakral anmutende Monothematik in solch wichtigen politischen Fragen wie der Wahrung nationaler Interessen, oder, ganz aktuell, des illegalen Grenzübertritts von inzwischen über einer Million "Flüchtlingen", der zwar entgegen aller vorhandenen Gesetze, nichtsdestotrotz jedoch mit dem Plazet des politisch-medialen Kartells stattfindet.

"Gänzlich unfehl-und unbelangbar sind außer Journalisten nur noch die Götter...", so schreibt es vollkommen korrekt der Autor. Man kann nur hoffen, dass durch die wirtschaftliche Schieflage der "Qualitätszeitungen" nach der Kündigung vieler Abonnenten eine Selbstreinigung des Journalistenberufs stattfindet. Doch in Zeiten, in denen ungeniert über eine staatliche Unterstützung von in finanzielle Schieflage geratenen Zeitungen nachgedacht wird, kaum zu hoffen.




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Veröffentlicht am 12. Dezember 2015