Buchkritik -- Olivia Monti -- Sterbewohl

Umschlagfoto, Buchkritik, Olivia Monti, Sterbewohl, InKulturA Die EU ist zerfallen und Deutschland ist pleite. Alle Hilfsprogramme, darunter die Wiedereinführung der D-Mark, haben der jetzt totalitär herrschenden Bürgerpartei, BP, keinen Erfolg gebracht. Nur in einer Hinsicht ist die BP führend: Im rasanten Abbau demokratischer Regeln und bürgerlicher Freiheiten. Die Menschen sind dank moderner Überwachungstechnik, die gerade von den jüngeren freiwillig und begeistert genutzt wird, für die Herrschenden transparent geworden.

Um die ohnehin fast leere Staatskasse zu entlasten, legt man den Älteren, Rentnern und Pensionären nahe, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, um, wie es zahlreiche Broschüren und Werbeflyer ausdrücken, aus Solidarität mit den Enkeln und Urenkeln darauf zu verzichten, weiterhin eine finanzielle Belastung zu sein.

Auch Nadja, Anna und ihre Freunde Max und Fred sind die Zielgruppe, denen angewandte Sterbehilfe nahegelegt wird. Ein Schreiben des Gesundheitsministeriums lädt sie zu einem Sterbeseminar in das Hotel Paradies auf Fehmarn ein. Und, wie es in dieser Einladung formuliert ist, sollte man vorher seinen Sachwalter bestimmen.

Nadja, ausgebrannt von ihrem Beruf als Grundschullehrerin und nur mühsam durch von ihrem Arzt großzügig verschriebene medikamentöse Stimmungsaufheller arbeitsfähig gemacht, freut sich darauf, nach ihre Pension endlich damit zu beginnen, was sie im Stillen als „in Form kommen“ bezeichnet, doch die staatliche Einladung auf die Ostseeinsel beendet vorerst ihre Zukunftspläne.

Zu Nadja, Anna, Max und Fred, die beschließen, die Einladung anzunehmen, gesellt sich Marwa, eine Freundin von Fred. Sie ist Journalistin und will den Gerüchten über Unregelmäßigkeiten bei den Sterbeseminaren nachgehen, von denen, das stellen sie bald fest, eine ganze Menge gibt.

„Sterbewohl“ ist ein bitterböser Roman über einen von der Politik inszenierten und unterstützen Krieg der Generationen, der mit einer brutalen Kosten-Nutzen-Analyse geführt und begründet wird und der die Renten- und Pensionszahlungen als überflüssige Ausgaben betrachtet. Da kommt, ganz in marktradikaler Denkweise nur eines infrage: Kostensenkung.

Weniger Kriminalroman als vielmehr eine Dystopie dessen, was möglich sein könnte, wenn, wie es aktuell in Ansätzen – „meine Oma ist eine alte Umweltsau“ – bereits angedacht und ausgetestet wird, hat Olivia Monti einen bösen, manchmal, ausschließlich dem Thema geschuldet, unerträglichen Roman geschrieben, der unter die Haut geht.

Warum nur fallen mir jetzt die vollmundigen Bekundungen unserer Politiker ein, die nicht müde werden, in Coronazeiten mantrahaft den Schutz vulnerabler Personengruppen, sprich ältere Menschen, zu fordern und, entgegen allen propagierten Anstrengungen, die Bewohner von Pflegeheimen dort trotzdem in großer Zahl sterben?

„Sterbewohl“ ist aber auch ein Roman über Verführer und Verführte. Die Figur des Seminarleiters Mortop, ein Manipulator, der es versteht, dass die Menschen in ihm das sehen, was sie sehen wollen, ist nur einer der Profiteure dieser Kaffeefahrt(en) des Grauens. Einige werden in seinen Händen willige Werkzeug und auch Anna fällt auf ihn, der, wie Mephistopheles in Goethes „Faust“, von sich behauptet, ein Auserwählter zu sein und die Kraft sei, die das Böse will und das Gute schafft, herein.

Nicht die Verführer sind das Problem, sondern die, sie sich verführen lassen.




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Veröffentlicht am 16. Februar 2021