Buchkritik -- Thomas Sowell -- Intellectuals and Society

Umschlagfoto  -- Thomas Sowell  --  Intellectuals and Society Intellektuell - Schimpfwort oder Berufsbezeichnung? Intellektuelle - Spalter oder Harmonisierer? Was sind überhaupt Intellektuelle? Braucht eine Gesellschaft Intellektuelle oder wäre man besser dran ohne sie ? Thomas Sowell, streitbarer US-Ökonom, hat sich in seinem aktuellen Buch Intellectuals and Society mit dieser durchaus merkwürdigen Kaste von selbst ernannten Gralshütern der Weisheit beschäftigt. Der Autor, ein Freund starker Worte, macht aus seiner Meinung, dass Intellektuelle, so wie sie sich in ihrem eigenen Selbstverständnis präsentieren, Spalter und Zersetzer der Gesellschaft darstellen, keinen Hehl. Obwohl die Analyse Sowells sich primär dem Bild der Intellektuellen in den USA widmet, sind seine Aussagen auch überwiegend für Europa und Deutschland zutreffend.

Der Begriff intellektuell bzw. Intellektueller bedarf einer vorausgehenden Analyse, die sich Sowell auch nicht scheut zu unternehmen. Intellektuelle sind für ihn Menschen, die es sich zum Beruf gemacht haben, öffentlich darüber befinden zu dürfen, welche gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen in einem Staat herrschen müssen, damit sie, die Intellektuellen, sich in diesem heimisch fühlen.

Der Autor macht eine scharfe Trennung zwischen Personen, die ihr akademisch erworbenes Wissen dazu verwenden, um z. B. als Arzt, Ingenieur oder Wissenschaftler aktiv tätig zu werden und denen, die sich, ob mit oder ohne akademische Grade dazu berufen fühlen, als Gesellschaftsingenieure tätig zu werden. Um sich speziell die Bedingungen in Deutschland vor Augen zu führen, kann man ohne weiteres Sowell folgen und zwischen Gebildeten und Intellektuellen unterscheiden. Sind Erstere diejenigen, die ihr erworbenes Wissen aktiv in der Gesellschaft einsetzen und in der Regel für ihr Einkommen selber verantwortlich sind - als selbstständige Unternehmer oder in leitenden wirtschaftlichen Funktionen - so ist die Situation des Intellektuellen eine vollkommen andere. In der Mehrzahl besteht diese Kaste aus Hochschulprofessoren, Künstlern, Gewerkschafter und Kirchenvertretern. Genau genommen sind es Personen, die im weitesten Sinn vom Staat, bzw. vom Steuerzahler alimentiert werden.

Anhand dieser Spezifikation wird deutlich, dass Sowell nicht das beste Bild von dieser Gruppe besitzt. Sein Buch ist eine Generalabrechnung mit einer, sich im vermeintlichen Besitz der Wahrheit befindenden Schar von nichts könnenden Besserwissern, die zu Unrecht die Richtung und den Diskurs der öffentlichen Meinung bestimmen.

Das Verhältnis von akademisch gebildeten "Handwerkern" und den selbst ernannten "Hohepriestern" gesellschaftlicher Entwicklung liegt, so Thomas Sowell, im Gegensatz von Theorie und Praxis. Weisen die "Handwerker" ein enges Verhältnis zur Realität auf - durch stete Kontrolle ihrer praktischen Tätigkeit in Bezug auf deren gesellschaftliche Relevanz - so bedienen sich die "Hohepriester" ausschließlich ihres eigenen, oft an der gesellschaftlichen und politischen Realität scheiternden Weltbildes. Es geht ihnen nicht primär um die wissenschaftliche Prüfung ihrer eigenen Theorien, die sich in der harten und faktenreichen Realität bewähren müssten, sondern um ihre eigene gesellschaftliche Ausnahmestellung.

Der streitbare Autor zeigt anhand vieler Beispiele den verheerenden Einfluss von links-theoretischen Intellektuellen im gesellschaftlichen Gefüge der USA. Nicht immer kann man hier auf die Verhältnisse in Deutschland rückschließen - so ist das amerikanische Justizwesen, auf das sich Thomas Sowell bezieht, nicht mit demjenigen Deutschlands zu vergleichen - der generellen Tatsache, dass sich Intellektuelle eine ihnen nicht zustehende Führungsposition anmaßen, ist jedoch zuzustimmen.

Betrachtet man nach der polemischen Analyse des Autors die Verhältnisse in Deutschland, dann kommt man nicht umhin, ihm in vielen Punkten Recht zu geben. Ein Blick in die Abgründe sog. politischer Talkrunden ergibt ein Fazit, das die Aussagen von Thomas Sowell bestätigt. Nicht selten bekommt der Gebühren zahlende Zuschauer das traurige Schauspiel einer zwar wortgewandten aber von wenigen Kenntnissen belasteten Kaste, die sich an ihren eigenen Aussagen berauscht. Wenn dann auch noch ein, im Weltvergleich bestenfalls durchschnittlicher Mittelstreckenläufer als "intellektueller Sportler" angekündigt wird, dann ist bereits die Realsatire in Richtung Volksverdummung überschritten.

Für Thomas Sowell ist "intellektuell" ein Schimpfwort. "Intellektuelle" zersetzen, so der Autor, die Gesellschaft und untergraben Institutionen wie Justiz und Erziehung. Hätte sich Sowell jetzt auch noch etwas kritischer mit der auf Lügen und bewussten Täuschungen beruhenden US-amerikanischen Invasion im Irak auseinandergesetzt, dann wäre Intellectuals and Society ein richtig gutes Buch geworden.




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