Buchkritik -- Donna Leon -- In Sachen Signora Brunetti

Umschlagfoto  --  Donna Leon  --  In Sachen Signora Brunetti Der venezianische Ermittler Commissario Brunetti hat ein Problem. Seine Ehefrau wurde verhaftet, weil sie die Scheiben eines Reisebüros welches Sexreisen anbietet, eingeschmissen hat. Das ist der Auftakt zu einem weiteren Fall für den sympathischen Kriminalbeamten. Natürlich verbirgt sich auch hinter dieser offensichtlichen Fassade ein weitaus brisanterer Fall, als es auf den ersten Blick aussieht.

Doch steht inzwischen bei Donna Leon nicht mehr das Verbrechen und die Aufklärung dessen im Mittelpunkt des Romans, sondern die eigene Befindlichkeit von Brunetti. Desillusioniert von den politischen und sozialen Verhältnissen Italiens und besonders der schrittweisen Kulturzerstörung seiner Heimatstadt Venedig, angewidert von faulen Kollegen, betroffen vom schwindenden moralischen Verhalten seiner Mitmenschen und nicht mehr an die Lösung all dieser Probleme glaubend, steht er mehr als einmal kurz davor, an diesem Zustand zu zerbrechen. Sein einziger ihm verbliebener Halt besteht in seiner Famlie. Aus diesem Grund trifft es ihn um so mehr, das seine Frau verhaftet wurde. Familie Brunetti, bzw. seine Frau Paola und er kapseln sich im privaten Bereich immer mehr von ihrer Umgebung ab. Leon schildert sie als die letzte moralische Instanz in einer sonst durch und durch verdorbenen Welt. Das war bei den ersten Fällen des Commissarios noch durchaus in Ordnung, doch nach nunmehr neun Romanen verliert es irgendwie den Reiz.

Dieses Buch ist eigentlich kein Kriminalroman im klassischen Sinn, sondern wie schon bei den letzten Fällen von Brunetti vielmehr ein Sittengemälde, eine Zustandsbeschreibung der italienischen Verhältnisse. All das kennt der Leser inzwischen und es ist deshalb nichts originelles mehr an diesen Schilderungen. Venedig ist auch diesmal wieder ein in sich abgeschlossener Mikrokosmos, dessen Realität dem Commissario immer grauenvoller erscheint. Brunetti, der wie es scheint, der einzige unbestechliche Beamte Italiens ist, zweifelt an sich und seinem Beruf. Zu sehr verwischen sich die Fronten zwischen Legalität und Illegalität. Zu viele Menschen sind in dieses Netz verwoben und niemand scheint sich daran zu stören.

All das mag soziologisch sehr spannend sein, doch der Leser von Leons Romanen kennt es zur Genüge. Es wäre schön, wenn die Autorin den typisch italienischen Rhythmus etwas forcieren würde, damit die Spannung, die einmal ihre Romane durchzogen hat, wieder zur Geltung kommt.




Meine Bewertung:Bewertung