Buchkritik -- Donna Leon -- Die dunkle Stunde der Serenissima

Umschlagfoto  -- Donna Leon  --  Die dunkle Stunde der Serenissima Was ist los mit Donna Leon? Ihre durchaus sympathische Figur Commissario Guido Brunetti wird immer mehr zum beruflichen Einzelgänger. Er vertraut niemandem außer der Sekretärin seines Chefs, Signorina Elletra und seinem langjährigen Kollegen Vianello. Überall wittert er Feinde in Gestalt von Korruption und bestechlicher Staatsmacht. Seine Paranoia geht sogar so weit, daß er sich nicht wagt bei wichtigen Telefonaten das Telefon im Büro zu benutzen. Donna Leon schildert Venedig als ein Hort des Übels und der Bestechlichkeit. Fast alle sind korrupt, fast alle hinterziehen Steuern und ohne Beziehungen läuft nichts mehr im öffentlichen Lebens der Lagunenstadt. Kein Wunder daß ihre Bücher in Italien sehr umstritten sind.

Der einzigen Zufluchtsort den Brunetti findet, ist seine Familie. Hier schreibt Leon so klischeehaft, daß es dem Leser schon vorkommt, einen Bericht aus einem Frauenmagazin zu lesen. Seine Ehefrau, Paola, Hochschuldozentin in Venedig, mutiert mehr und mehr zu einer Karikatur der typischen italienischen Frau und ist wohl eigentlich das Alter ego von Donna Leon. Perfekt in der Küche, (wie schafft sie es eigentlich trotz ihres Berufes jeden Tag eine kulinarische Köstlichkeit auf den Familientisch zu bringen?), temperamentvoll bis störrisch, (so jedenfalls das Klischee einer italienischen Frau) und immer bereit ihren Gatten, den armen Brunetti, an ihrer Weltsicht teilhaben zu lassen. Es fehlt nicht viel und Brunetti, weichgespült durch seine praktizierte political correctness, wäre dazu bereit, die Bewohner Venedigs durch Einwanderer zu ersetzen. So jedenfalls ist es zu erklären, das er (Donna Leon) nur bei seinen italienischen Mitmenschen Fehler entdeckt, für die er sich mehr und mehr schämt. Alle Figuren im Roman sind mit optischen Stigmata besetzt, nur die illegale Einwanderin Salima ist ein perfektes Bild einer Frau und zudem, im Gegensatz zu allen anderen Figuren, von einer so vollkommenen Moral das es den Leser schon schmerzen muß. Es macht keinen Spaß mehr die Romane von Donna Leon zu lesen. Sie sind vorhersagbar und eindimensional geworden.

Ach ja, der aktuelle Roman. Eine Studentin von Brunettis Ehefrau wird ermordet, nachdem sie sich hilfe- und ratsuchend an den Commissario gewandt hat. Ihre Großvater war in den Wirren des 2. Weltkriegs in nicht gerade ethisch zu nennende Geschäfte mit Kunstobjekten verwickelt. Bei seinen Recherchen stellt Brunetti schnell fest, daß viele der Venezianer darin involviert waren. Natürlich wird auch dieser Fall von Commissario Brunetti politisch korrekt gelöst.

Ich kann nur hoffen, daß Donna Leon bald wieder den "alten" Commissario auferstehen läßt.




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