Buchkritik -- Albrecht Rothacher -- Mythos Asien ?

Umschlagfoto  -- Albrecht Rothacher  --  Mythos Asien ? Schenkt man den aktuellen Wirtschaftsberichten Glauben, so ist Asien die ökonomische Hoffnung des neuen Jahrtausends. Ein gigantische Markt mit Millionen von potentiellen Kunden und, so jubilieren jedenfalls Manager und Konzernbosse, ein Lieferant billiger Arbeitskräfte. Was das letztere angeht, so hat die Auslagerung ganzer Produktionszweige aus dem Bereich der EU bereits dramatische Ausmaße angenommen.

Doch wie ist es um die asiatischen Staaten wirklich bestellt? Welche Chancen haben sie und unter welchen Problemen leiden sie? Können sie auf Dauer eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung der EU und der USA darstellen?.

Albrecht Rothacher zeigt in seinem Buch Mythos Asien ? ausführlich die Möglichkeiten und die Grenzen dieser Staaten auf. Wohl nicht umsonst steht China an erster Stelle seiner Untersuchung, wird doch dieser, nominell noch kommunistische Staat, von nahezu allen großen Konzernen umschmeichelt. Kaum ein westlicher Konzern, der noch nicht in diesem Riesenreich vertreten ist. Von Gemeinschaftsprojekten kann dabei, so der Autor, jedoch nicht gesprochen werden, geht es doch den chinesischen Machthabern primär um den billigen Erwerb von Technologien, in deren Forschung und Entwicklung in den jeweiligen Heimatländern viel Geld geflossen ist - zum Teil sogar Steuergelder, wie z. B. bei der Entwicklung des europäischen Prestigeobjekts Airbus. China erhält die Blaupausen beinahe kostenlos. Ob die vertraglichen Vereinbarungen eingehalten werden, oder ob China eines Tages zur Konkurrenz für die europäische Luftfahrtindustrie wird, nicht nur Rothacher ist da skeptisch.

China ist ohne Zweifel auf dem Weg, eine wirtschaftliche Großmacht zu werden. Doch um welchen Preis. Die Freiheit seiner Bürger ist mehr als eingeschränkt und die Umwelt wird ohne Rücksicht zerstört. Die größte Sorge sollte jedoch die militärische Aufrüstung machen. So ist die chinesische militärische Führung seit Jahren darum bemüht, ihre alten Waffenarsenale zu modernisieren. Europäer und Russen helfen natürlich gern. Erklärtes Ziel chinesischer Politiker ist es, aus dem Schatten der USA zu gelangen. Wer die aggressiven Töne gegenüber Taiwan, der einzigen funktionierenden Demokratie in Asien, vernimmt, der ahnt Schlimmes. Nicht ohne Grund steht der Autor dem vermeintlichen Fortschritt Chinas sehr kritisch gegenüber.

Wie sieht es mit den anderen asiatischen Staaten aus? Japan, der gefallene Riese, versucht immer noch die Lehren aus der großen Krise zu ziehen und kommt erst langsam wieder auf Touren. Zudem sich der Inselstaat demographisch und kulturell, so Rothacher, auf einer absteigenden Linie befindet. (Parallelen zu Deutschland zieht der Autor oft, gern und absolut berechtigt.)

Indochina mit Vietnam, Laos und Kambodscha steht insgesamt unter kommunistischen Führungen, trotzdem entwickelt sich so etwas wie ein "Kapitalismus des kleinen Mannes". Korea, der letzte geteilte Staat auf dieser Welt, wird, wenn diese überwunden werden sollte, lange an den Kosten dieser Wiedervereinigung leiden. Wie es nicht gemacht werden sollte, kann die politische Führung Südkoreas am Fall der Bundesrepublik Deutschland studieren.

Südostasien mit Thailand, den Philippinen, Malaysia, Singapur und Brunei ist mit Ausnahme der beiden letzteren von religiösen Auseinandersetzungen bedroht. Korruption und politische Willkür machen den Aufbau funktionierender Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen beinahe unmöglich.

Bestrebungen ein der EU vergleichbaren Wirtschaftsraum in Asien zu schaffen gab es genügend. Alle sind jedoch an den verschiedenen politischen Systemen und den Spannungen, hervorgerufen durch religiöse Auseinandersetzungen, gescheitert.

Albrecht Rothacher zeigt mit seinen ausführlichen Untersuchungen, wie es so treffend im Untertitel seines Buches heißt, die Licht- und Schattenseiten einer Region im Aufbruch. Seine Analysen sind mitunter wunderbar politisch unkorrekt, aber zutreffend. Er zeigt dem Leser Fakten, denen es leider nicht gelang, die mediale Aufmerksamkeit der deutschen Informationsbeschaffer zu erlangen. Als jemand, der Asien gewissermaßen aus erster Hand kennt, sind seine Einschätzungen weit entfernt vom Jubelchor all derjenigen, die diese Region nur als Leser von Bilanzen kennen.

Sein Fazit sollte allerdings nachdenklich stimmen. Wenn es den Ländern Asiens gelingen sollte, sich wirtschaftlich und politisch näher zu kommen, dann können wir Europäer nur bestehen, wenn wir uns einige der zweifelsohne vorhandenen Tugenden zum Beispiel nehmen. Leistungswillen, die Bereitschaft zum lernen und ein funktionierendes Familienleben sind die Voraussetzungen dafür.




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