Buchkritik -- Jeremy Rifkin -- Das Zeitalter der Resilienz

Umschlagfoto, Buchkritik, Jeremy Rifkin, Das Zeitalter der Resilienz, InKulturA Das frühe 21. Jahrhundert dürfte, sollten Historiker einer fernen Zukunft Rückschau halten, als Zeitalter der Apokalyptiker, der Untergangs- und Endzeitpropheten beschrieben werden. Pandemien wurden ausgerufen – dabei gab es nur eine, die polit-medial inszenierte, zum globalen Killer erklärte Coronashow – und der angeblich ausschließlich anthropogene Klimawandel, der das nächste Massensterben einleiten sollte.

Einer dieser Apokalyptiker ist Jeremy Rifkin, US-amerikanisches Ökonom, der mit seinen Analysen und Zukunftsentwürfen regelmäßig die feuchten Träume politisch weit links angesiedelter Kapitalismuskritiker, vulgo Systemveränderer befeuert.

Achtung meine Damen und Herren, wir verlassen das Zeitalter der Effizienz und treten ein in das der Resilienz. Zu dessen Grundsätzen gehört: Die natürliche Welt muss wiederhergestellt werden, der Klimawandel muss bekämpft werden, die Gesellschaft muss in eine "Peerocracy" umgewandelt werden, die nicht auf Eigentum, sondern auf „Zugang und Teilhabe“ basiert.

Auf Deutsch gesagt: Eigentum wird abgeschafft. Klaus Schwabs „Große Transformation“ und die Ideen seiner Milliardärsfreunde lassen grüßen.

Kinder sollten so erzogen (indoktriniert?) werden – dem Rezensenten sträuben sich die Nackenhaare – dass "der natürliche biophile Impuls, der in die genetische Ausstattung eines Kindes eingebettet ist, zum Ausdruck kommt und in der Vorschule gedeihen und während der gesamten Schulzeit weiter reifen [wird]."

Ganz großes Theater; FFF und Konsorten dürfen jubeln.

Wie immer bei den Propheten, wird erst einmal die Geschichte bemüht. Fangen wir also bei Adam und Eva an, die sich die Erde und alles Getier untertan machen sollen. Sagt zumindest die Bibel.

Seit Jahrhunderten, sagt Rifkin, wird die menschliche Zivilisation von der Idee des Fortschritts angetrieben, die durch philosophische und wissenschaftliche Interpretationen verstärkt wird. Da Effizienz über alles andere gestellt wird, wurde sie durch den Berufsstand der Ökonomen und die politischen Systeme festgeschrieben.

Aber dieses Fortschrittsparadigma, so der Autor weiter, weist von Anfang an grundlegende Mängel auf. Es hat nie die Entropie und die Gesetze der Thermodynamik berücksichtigt. Das Zeitalter des Fortschritts stützte sich auf die Philosophie der Aufklärung und interpretierte die Menschheit als von der Natur, die als auszubeutende Ressource behandelt wurde, getrennt und über sie herrschend. Das machte den industriellen Kapitalismus blind für die natürliche Welt. "Der „reale Reichtum..." – Umwelt und Ressourcen – "...von dem der gesamte Lebensprozess abhängt und ohne den das Wirtschaftssystem nicht existieren würde, blieb unter Ökonomen und Wirtschaftsführern bemerkenswert unberücksichtigt."

In mehreren Kapiteln durchstreift Jeremy Rifkin die Geschichte, um zu erzählen, wie immer mehr Elemente des Lebens kontrolliert und zur Ware gemacht wurden. Er denkt dabei hauptsächlich an die Umwandlung von Zeit, Sprache, Genen oder das magnetische Spektrum, deren Ressourcen monetarisiert, privatisiert und ausschließlich durch den Fokus von Effizienz und Profit betrachtet werden.

Die Idee, alles zu kontrollieren und zu verwalten, um die Effizienz zu maximieren, löst sich angesichts von Herausforderungen wie dem Klimawandel oder globalen Pandemien auf. Bewegungen wie „Just in Time“-Fertigung oder „Lean“-Logistik wirken plötzlich eher fragil als clever. Rifkin schlägt vor, dass es an der Zeit ist, das Gleichgewicht wiederherzustellen und "den Fokus der wissenschaftlichen Forschung von der Vorhersage auf die Anpassung zu verlagern".

Frage des Rezensenten: Lassen sich, ohne den Fokus weiterhin auch auf Effizienz zu halten, acht bald sogar zehn Milliarden Menschen ernähren?

Wer mit den früheren Werken von Rifkin vertraut ist, stellt schnell fest, dass es auch in diesem Buch wiederkehrende Themen gibt: Eine größere Rolle für Empathie, eine philosophische Verschiebung von Idealen der individualistischen Autonomie hin zu Verbindungen und Beziehungen. Vernetzte und durch erneuerbare Energien betriebene Volkswirtschaften der „dritten industriellen Revolution“. Eine lokale und bioregionale Exekutive, die auf unmittelbare Umweltprioritäten reagieren kann und eine partizipative Demokratie.

Hört sich für die üblichen Verdächtigen, die Systemveränderer und Kapitalismuskritiker und -abschaffer gut an, doch leider hören die geneigte Leserinnen und Leser kein einziges Wort über die dann anstehenden politischen und sozialen Veränderungen und wie alle Propheten blendet Jeremy Rifkin eines vollkommen aus: Das menschlich, allzu menschliche des Individuums. Sein Streben nach Reichtum, seine Verlangen nach materiellen Gütern und das – wie "der natürliche biophile Impuls" – genetisch festgelegte Streben nach Einzigartigkeit, nach Individualität.

Aber, großer Wermutstropfen, die gibt es ja in der zukünftigen Welt nicht mehr, denn wir sehen dann den "Übergang des Geschäftsmodells von Eigentum zu Zugang, Märkten zu Netzwerken, Käufern und Verkäufern zu Anbietern und Nutzern."

Jeremy Rifkin findet bereits in der Einleitung Worte, die nachdenklich machen sollten: "Bleibt zu hoffen, dass uns der Weg, den wir im Zeitalter der Resilienz einschlagen, in einen neuen Garten Eden führt."

Wer sich in der Geschichte auskennt, der weiß, dass dieser Wunsch und die entsprechenden Ideologien immer zu Millionen von Toten geführt hat. Aber was interessiert das die Propheten?




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Veröffentlicht am 24. Januar 2023