Buchkritik -- Karl-Heinz Reimeier -- wenn´s weihrazt...

Umschlagfoto, Karl-Heinz Reimeier, wenn´s weihrazt..., InKulturA Wir alle haben es uns leider angewöhnt, geschuldet der medialen Dauerberieselung, dass unser kognitiver Wahrnehmungsfilter nur noch das vermeintlich Große in den Fokus der Informationsflut stellt. Mindestens international, besser noch global muss ein Ereignis, eine Entwicklung oder ein Zwischenfall sein, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Das ist schade, denn eigentlich sind wir aufgrund unserer genetischen Disposition dazu veranlagt, eher das Kleine, das uns unmittelbar Umgebende in den Mittelpunkt unseres Interesses zu stellen.

Vor lauter Getöse um den globalen Wettbewerb oder die europäische Integration laufen wir Gefahr, den Sinn und das Gespür für das Regionale, für die uns seit der Geburt vertraute Umgebung mit all ihren Facetten und den besonderen, nur am jeweiligen Ort vorhandenen Traditionen zu verlieren. Der Preis dieses Verlustes ist die Heimatlosigkeit, die auch durch das von der Politik angestrebte Ideal des europäischen oder gar globalen Bürgers niemals ersetzt werden kann.

Einer der Verlage, die sich um die Förderung regionaler Autoren und die Pflege lokaler Literatur verdient machen, ist die Edition Lichtland. In Freyung im Bayerischen Wald werden mit schöner Regelmäßigkeit Bücher herausgegeben, die sich abseits des literarischen Mainstreams bewegen und die, so die Leitlinie des Verlags, "... hoffentlich vielen einen hellen und erhellenden Blick auf die Welt, die uns umgibt..." öffnen.

Zur Pflege lokaler Literatur gehört natürlich auch ein Buch, in dem es um Volkssagen und um individuelle Erlebnisse und Erfahrungen geht, über die vordergründig sich als aufgeklärt gebende Zeitgenossen wohl nur mit dem Kopf schütteln würden. Der Schriftsteller und Volkskundler Karl-Heinz Reimeier hat mit "wenn´s weihrazt..." ein Buch veröffentlicht, dass, sagen wir es frei heraus, Spukgeschichten, unerklärliche Phänomene und merkwürdige, jeglicher Logik widersprechende Vorfälle dokumentiert.

Wer jetzt der Meinung ist, solche Geschichten hätten bereits vor hundert Jahren als veraltet gegolten, der wird durch die Gewährspersonen, deren Geschichten und Erlebnisse der Autor in diesem Buch einem größeren Publikum vorstellt, eines Besseren belehrt. Es sind keine Schauergeschichten aus vergangener Zeit, sondern sie stammen größtenteils aus den letzten 30 Jahren.

Einige der Erzählungen handeln vom "Anmelden", ein auf den Tod einer nahestehenden Person hinweisendes oder vorwegnehmendes Erlebnis. Daneben werden Vorfälle geschildert, die mit lokalen Gestalten und Figuren, wie z. B. der "Drud", ein meist weiblicher Geist, der sich auf die Brust eines Schlafenden setzt und ihn am Atmen hindert, zusammenhängen.

Es sind ernst zu nehmende Menschen, denen Karl-Heinz Reimeier zugehört hat und deren Schilderungen in diesem Buch veröffentlicht wurden. Wenn es also spukt oder wenn etwas nicht geheuer erscheint, kurz, "wenn´s weihrazt...", dann bedeutet das, es gibt zum Glück noch Menschen, die sich für die kleinen und leisen Dinge eine feine Antenne bewahrt haben.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 9. Dezember 2013