Buchkritik -- Manuela Reizel -- Recovery

Umschlagfoto, Manuela Reizel, Recovery, InKulturA Im Zeitalter der globalen digitalen Vernetzung sind die Regierungen der Welt zu Potemkinschen Dörfern mutiert. Vordergründig noch demokratischen Regeln verpflichtet, ziehen hinter den Kulissen längst andere Kräfte an den Fäden der Macht. Die Bürger wähnen sich, schließlich dürfen sie regelmäßig ihr Plazet abgeben, noch als frei und sind dabei doch nur ein Spielball für die Interessen dieser einflussreichen Mächte. Die "alternativlose" Bankenrettung auf dem Höhepunkt der Finanzkrise und das vor wenigen Monaten bekannt gewordenen großflächige Ausspähen der Bürger durch die Geheimdienste "befreundeter" Staaten machen die Ohnmacht des Einzelnen vor den Interessen Weniger deutlich.

Niemand würde von diesen Machenschaften erfahren, gäbe es nicht diejenigen, die, selber an maßgeblichen Stellen im System beschäftigt, sich weigern, das ohne Widerspruch hinzunehmen. Es sind die Whistleblower und Netzaktivisten, die sich der Datenkrake in den Weg stellen und in zahlreichen Wikis ihre Informationen einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen.

"Recovery" von Manuela Reizel erzählt die spannende Geschichte einiger dieser Aktivisten, die sich den anonymen Mächten in den Weg stellen. Eigentlich wollte der früher als "Luke Skywalker" bekannte Hacker ein neues Leben beginnen, doch er wird von einigen Netzaktivisten aufgespürt und lässt sich überzeugen, ihnen bei der Entschlüsselung eines Codes behilflich zu sein.

Der Roman ist eine exakte Beschreibung dessen, was der normale Bürger höchstwahrscheinlich unter Unsinn abtun würde. Zu monströs, zu abwegig und mehr als unwahrscheinlich. So dürften die Reaktionen ausfallen, würde man die Menschen mit der Wahrheit konfrontieren. Geschickt baut Manuela Reizel um die bereits existierenden und genutzten technischen Möglichkeiten eine spannende Geschichte um digitalen Widerstand und die unter Umständen tödlichen Konsequenzen des Kampfes gegen schier omnipotente Mächte.

Die Autorin tut gut daran, sich nicht auf Verschwörungstheorien im Allgemeinen zu kaprizieren, sondern, hart an der Wirklichkeit, kurz die Spur des Geldes vor und unmittelbar nach den Anschlägen von 9/11 zu skizzieren. Diesen Hinweisen wurde pikanterweise von den ermittelnden Behörden keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Schuft, der Böses dabei denkt...

Zugegeben, es dauert etwas, bis der Roman Fahrt aufnimmt, doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Längst überwunden geglaubte Vergangenheiten werden auf einmal wieder präsent, was den Kampf gegen den unsichtbaren aber mächtigen Gegner nicht leichter macht.

Das wirklich Beklemmende dieses Romans ist jedoch der gar nicht so unterschwellig geäußerte Tenor, dass es nur wenigen Bürgern überhaupt gelingt, die zu Tage geförderten Informationen der Whistleblower in den richtigen Kontext zu stellen. Diese Aufgabe müssen, Manuela Reizel beschreibt es in ihrem Roman, die wenigen, noch wirklich unabhängigen Medien übernehmen. In Zeiten global agierender Informationskartelle wahrlich ein Desiderat.

"Recovery" hinterlässt beim Leser Unbehagen und Beklemmung. Gut so!




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