Buchkritik -- Jörg Starkmuth -- Die Entstehung der Realität

Umschlagfoto  --  Jörg Starkmuth --  Die Entstehung der Realität Die Geisteswissenschaften, insbesondere die Philosophie, leiden unter dem Makel, daß sie die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung, wenn überhaupt, erst viele Jahre später in ihre Theorien einbeziehen. Das ist bedauerlich, kann doch gerade die Philosophie viel von der modernen Physik adaptieren. Jörg Starkmuth hat in seinem Buch Die Entstehung der Realität versucht, einen Brückenschlag zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik einerseits und den philosophischen Fragen nach der Realität und dem, was eigentlich Glück ist, zu schlagen.

Wahrheit als absolute und allgemeingültige philosophische Entität ist, wenn schon keine Fiktion, dann doch jenseits dessen liegend, was menschliche Sprache in Worte fassen kann. Die Realität ist statt dessen das Produkt unseres Bewußtseins.

Im, sehr guten, ersten Teil des Buches, stellt der Autor dem Leser die Erkenntnisse der modernen Physik anschaulich dar. Relativitätstheorie und Quantenphysik werden verständlich erklärt und deren mögliche Implikationen für den menschlichen Geist erläutert.

Das, was wir allgemein als Realität des uns umgebenen Makrokosmos bezeichnen, gilt nicht mehr, wenn wir uns auf der molekularen Ebene des Mikrokosmos befinden. Die Kausalität, welche es scheinbar in unserem alltäglichen Leben gibt, existiert in der Welt der Elementarteilchen nicht mehr. Der Doppelcharakter der Materie und des Lichts (Welle-Teilchen) macht es bei Experimenten unmöglich beides, sowohl Ort als auch Geschwindigkeit eines Teilchens vorauszusagen. Erst bei einer Messung, also dem Eingriff eines Beobachters, entscheidet sich beides. Vorher befand sich dieses Teilchen in einem Zustand, in dem alle Möglichkeiten existierten.

Unsere Realität, bzw. das, was wir dafür halten, wird, so Jörg Starkmuth ebenfalls erst durch unser Bewußtsein geschaffen. Er untermauert seine These mit den Ergebnissen und den daraus resultierenden Konsequenzen der modernen Physik. Seine Aussagen können auch von naturwissenschaftlichen Laien nachvollzogen werden, weil der Autor es versteht, die komplexen quantenmechanischen Vorgänge zu erläutern.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, die sich dem Menschen dadurch bieten, das es möglich zu sein scheint, sich seine jeweils eigene Realität zu schaffen. Leider kann dieser Abschnitt nicht auf die gleiche Weise überzeugen, wie der erste. Hier zeigt der Autor, wie es gelingen kann, das individuelle Leben mit Hilfe unseres geistigen Potentials so zu steuern, daß es uns gelingt, in Glück und in Harmonie zu leben.

Die Beispiele, welche der Autor anführt, um seine These zu untermauern, befinden sich in gefährlicher Nähe zu den sog. Bestsellern, die permanentes Glück verheißen, wenn es uns nur gelingen würde, auf die und die Weise zu Leben. Gefährlich wird es jedoch wenn, wie Jörg Starkmuth es macht, Krankheiten einer Fehldisposition des individuellen Potentials zugeschrieben werden. Sein Rat jedoch, bei schweren Fällen einen Arzt zu konsultieren versöhnt allerdings wieder etwas.

Die Formel: "Nutze Dein geistiges Potential und dein Leben wird besser", die Kernaussage des Buches, vermeidet, wie übrigens auch die meisten Religionen, die Frage nach dem Wesen des Bösen und des Übels. Warum gibt es Verbrechen, Not und Leid? Dies alles sind, wenn man dem Autor folgt, doch Manifestationen des geistigen Möglichkeiten des Menschen. Geht der Leser davon aus, daß es nur wenige Individuen sind, welche ihre Möglichkeiten negativ nutzen und diesen Wenigen zahlreiche andere Individuen gegenüber stehen, die sich gegen das Böse zur Wehr setzen, dürfte deren geistiger Einfluß allemal ausreichen, um das Übel zu beseitigen. Klappt leider in der Realität so nicht. Funktioniert der Makrokosmos doch auf eine bislang geheime Weise anders als der Mikrokosmos, oder sind die Gesetze des letzteren nur noch nicht zur Genüge erforscht? Wahrscheinlich trifft beides zu.

Auf alle Fälle hat der Autor Jörg Starkmuth ein gut lesbares Buch über die Verwobenheit des Menschen im Mikro- und Makrokosmos geschrieben. Sein Ton ist an keiner Stelle messianisch gefärbt und die Antworten die er gibt, befriedigen zumindest den Leser des ersten Teils. Der zweite wendet sich leider verstärkt an ein materiell saturiertes Publikum, dem Zeit und Muße eigen ist, um den individuellen Sinn des Lebens suchen zu können und auf diesem Weg ihr persönliches Glück zu finden.




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