Buchkritik -- Elisabeth Heresch -- Rasputin

Umschlagfoto  -- Elisabeth Heresch  --  Rasputin Cagliostro, Swedenborg, LeJeune oder Schäfer, jede Epoche hat die ihr eigenen Scharlatane. Getrieben von Ehrgeiz und Machthunger versuchen sie Personen zu beeinflußen und ihre angeblichen Wunderdinge zu vollbringen. Allen gemeinsam ist die bereitwillige Aufnahme in der Allgemeinheit, damals wie heute, ohne die sie ihre Taschenspielertricks nicht ausführen könnten. Die Öffentlichkeit, die große Bühne der allgemeinen Eitelkeit, ist ihr ureigenstes Milieu. Außerhalb sind sie nichts, im jeweiligen Mainstream dagegen alles.

Das Wesen des Menschen, seine Suche nach Führung, egal ob materieller oder spiritueller Natur, ist es, was immer wieder dafür sorgt, daß sich zwielichtige, selbsternannte Meinungsführer und Wohltäter aus der Masse erheben werden. Die Mehrheit der Menschen wird immer wieder bereit sein, sich ihren Versprechungen hinzugeben und ihnen Glauben schenken.

Einer in der langen Reihe der Scharlatane war Rasputin. Ein sibirischer Bauer, der einen unheilvollen Einfluß auf den letzten Herrscher der Romanows, Nikolaus II. und seine Frau Alexandra Fjodorowna ausübte. In dem Buch von Elisabeth Heresch "Rasputin" wird fernab jeglicher Mystifizierung der Person Rasputins seinem tatsächlichen Wesen und seinen schlimmen Einflüssen nachgespürt. Kompetent und kenntnisreich bereitet Heresch vor den Augen des Lesers ein Kaleidoskop der Strömungen und Stimmungen Russlands wieder, die zum entstehen solcher schillernden Figuren wie Rasputin führte.

Eine tiefe Religiosität in Verbindung mit einem starker Hang zum Mystizismus ebnete dem Mythos Rasputin den Weg bis zur Zarin selber. Die vermeintlichen Heilerfolge am einzigen Sohn und erhofften Nachfolger des Zaren auf dem Herrscherthron, Alexej, sorgten dafür, das die Zarin immer wieder ihre schützende Hände über Rasputin hielt und nicht zur Kenntnis nehmen wollte, daß sein verhängnisvoller Einfluß auf die Tagespolitik immer stärker wurde.

Unparteiisch wie bei allen guten Biografien, gelingt es Elisabeth Heresch sehr gut, die Atmosphäre Russlands am Ende des 19. Jahrhunderts darzustellen. Einerseits die Ausrichtung auf die westliche Kultur, andererseits die tief verwurzelte Gläubigkeit des russischen Volkes. Dieser unlösbare Wiederspruch ermöglichte erst das Emporkommen einer Gestalt wie Rasputin.

Stellen wir einen kurzen Vergleich zwischen damals und heute an, so sehen wir, daß sich nichts wesentliches geändert hat. Die öffentliche Meinung wird nach wie vor von dubiosen Meinungsmachern gelenkt. Im Verein mit den Medien sorgen sie für unsere schöne, neue Welt. Rasputin ist tot, doch in den Instrumenten der Massenbeeinflußung wie z. B. Fernsehen und Kino, nicht zu vergessen der Werbebranche, lebt er weiter und befindet sich in guter Gesellschaft.

Wer sich für immer noch aktuelle Verführungsmechanismen interessiert, der sollte dieses Buch lesen.




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