Buchkritik -- Byung-Chul Han -- Psychopolitik

Umschlagfoto, Byung-Chul Han, Psychopolitik, InKulturA Donnerwetter, es gibt doch noch Philosophen, die es verstehen, ihre Thesen kurz und knackig zu präsentieren. Kein überflüssiger Schnickschnack, keine zeitraubenden Wortklaubereien oder sophistischen Taschenspielertricks, die die Realität an die Aussagen des jeweiligen Philosophen anzupassen bemüht sind und, nicht zuletzt, keine Wortschöpfungen, die nur darum bemüht sind, alten Wein in neue Schläuche zu pressen.

Wer die Werke Byung-Chul Hans kennt, der weiß um die präzise Wortführung dieses Denkers, der es wie kein anderer "Kollege" versteht, die Dinge auf den Punkt zu bringen, ohne die Leser mit langwierigen und seitenfüllenden Redundanzen zu ermüden.

Philosophisches Denken kann - und sollte - präzis, nachvollziehbar sein und, nicht zuletzt, sich an den gesellschaftlichen Realitäten ausrichten. All das versteht sich für Han augenscheinlich von selbst, denn die Art und Weise wie er seine Gedanken präsentiert, sind ein Fest und ein Loblied auf die Kraft und die Eindringlichkeit angewandter Philosophie.

Sein neuestes Buch "Psychopolitk - Neoliberalismus und die neuen Machttechniken" bildet da keine Ausnahme. Der moderne Mensch, so Hans zentrale These, ist gefangen im falschen Selbstverständnis von individueller Freiheit, die in Wirklichkeit der Verinnerlichung äußerer, aber gut getarnter Mechanismen der Fremdkontrolle unterliegt.

Die neuen Machtmechanismen sind nicht primär repressiver Art, sondern getarnt als "...smarte Macht mit freiheitlichem, freundlichem Aussehen, die anregt und verführt" und die "...ist wirksamer als jene Macht, die anordnet, androht und verordnet." Während der moderne, sich permanent selbst optimierende Mensch dem Irrtum der Freiheit unterliegt, unterwirft er sich in Wirklichkeit der neoliberalen Herrschaft, die durch Konsum und den Druck zu permanenter Kommunikation die neuen Machtstrukturen etabliert.

Gerade weil, so Han, diese Macht getarnt als Freiwilligkeit daherkommt, ist sie so erfolgreich. Dabei ist aber, und da irrt er, die repressive Macht nicht gänzlich verschwunden, sondern sie manifestiert sich nach wie vor in den Mechanismen der Angstschürung, wenn z. B. Arbeitgeber vor Tarifverhandlungen vor dem möglichen Verlust von Arbeitsplätzen warnen.

Repressive Macht löst sich auch in Zeiten des Neoliberalismus nicht in Luft auf, sondern sie bleibt vielmehr ein bestimmender Faktor gesellschaftlich-wirtschaftlicher Ausübung von Herrschaft. Big Brother war gestern. Viel effizienter und machterhaltender ist Big Data, dem permanent individuelle Daten mit an Irrsinn grenzender Freiwilligkeit geliefert werden.

Man muss nicht gleich so weit gehen wie Han, für den der aktuelle Kapitalismus von "immateriellen und unkörperlichen Produktionsformen bestimmt" ist, um trotzdem festzustellen, dass sich die Machtausübung des Neoliberalismus tief in die Sphäre vermeintlicher individueller Freiheit eingegraben hat. Der beste Zwang ist derjenige, von dem der Gezwungene nichts merkt und, im Gegenteil, sein Handeln als freiwillig betrachtet.




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Veröffentlicht am 21. September 2014