Buchkritik -- Richard David Precht -- Jäger, Hirten, Kritiker

Umschlagfoto, Buchkritik, Richard David Precht, Jäger, Hirten, Kritiker , InKulturA Nur „Jäger, Hirten, Kritiker“? Da hat Richard David Precht aber zumindest einen Evolutionssprung ausgelassen: die Sammler. Als ein solcher stellt sich jedenfalls der Philosoph und Publizist dar, der mit medienwirksamen, aber unbewiesenen Behauptungen derzeit in der Öffentlich-Rechtlichen-Verdummung eine Omnipräsenz feiert, die dem aufmerksamen Beobachter des politischen-medialen Zeitgeistes einen Schauer über den Rücken laufen lässt.

Ohne Frage, sein aktuelles Buch zeichnet sich durch Eloquenz, dem Mainstream hinterherhechelnden und dem Zeitgeist opportunen Sentenzen aus, als da wären: die Arbeit wird uns in den kommenden Jahrzehnten schlichtweg ausgehen, die „Oligopole des Silicon Valley“ zerstören durch ihre Datensammelwut die Demokratie, Geeks schaffen eine inhumane Welt und nur das bedingungslose Grundeinkommen kann die Menschen von der digitalen Diktatur befreien.

So weit, so kurz gedacht. Wenn, wie selbst ernannte Experten es behaupten, uns, d. h. der westlichen Welt, also dem Kapitalismus die Arbeit auszugehen droht, warum rufen dann ausgerechnet jetzt Wirtschaftsführer und Funktionäre den Facharbeiter- und Arbeitskräftemangel aus? Warum wird, vonseiten der Wirtschaft, in der aktuellen Masseneinwanderung die (falsche) Antwort auf den durchaus existenten Mangel an arbeitsbereiten und leistungswilligen Menschen gegeben?

Wenn, wie Precht es nicht müde wird zu wiederholen, sich die zukünftigen Menschen mangels bezahlter Arbeit durch „Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Selbstermächtigung“ Lebenssinn verschaffen müssen, sollte er dann nicht den von ihm geschmähten digitalen Konzernen wie z. B. Amazon, Airbnb und ebay Anerkennung zollen, weil sie vielen Menschen genau die von ihm geforderten Eigenschaften und Möglichkeiten bieten?

Nebenbei bemerkt, wenn viele, u. a. die von Precht geforderten neuen Menschen schon heute in Bezug auf das Lesen von Nutzungsbedingungen der großen digitalen Anbieter versagen, es nicht können, nicht wollen oder schlicht und ergreifend diesbezüglich zu dumm sind, wie soll dann erst die zukünftige Selbstverantwortung funktionieren?

Immer wenn ein studierter Philosoph sich anmaßt, ökonomische Zusammenhänge vermeintlich zu erklären, sollte man Vorsicht walten lassen. So auch bei der Diskussion über das sozialutopische Finanztransfermodell Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), das, wie Precht glaubt, allein durch eine Finanztransaktionssteuer, eine prozentuale Abgabe des Hochfrequenzhandels, zu finanzieren wäre. Nur einmal kritisch nachgefragt: was wäre, wenn eben dieser unkontrollierte Hochfrequenzhandel aufgrund der von ihm geschaffenen Blasen kollabiert? Die nächste Auszahlung des BGE in der von Precht geforderten Höhe von 1500 Euro erst nach dem Ende der Krise, sagen wir in 10 Monaten...?

Das ist Populismus, so könnte man es dem Autor vorwerfen, der an anderer Stelle nicht müde wird zu behaupten, dass die von ihm geschmähten konservativen Kräften mit ihren, so Precht, „einfachen Lösungen auf komplexe Fragen“ zurück in eine Vergangenheit wollen, die es nicht mehr gibt. AfD und Trump-Bashing ist derzeit zwar en vogue, aber eben auch nur Populismus von linker Seite.

Der Autor, das muss zu seinen Gunsten gesagt werden, ein überaus positives Bild seiner Mitmenschen und kann sich deshalb nicht vorstellen, dass das BGE, sollte es Realität ökonomisch-gesellschaftliche Realität werden, das Zeug dazu hat, ein politisch-wirtschaftliches System zumindest zu destabilisieren, wenn nicht sogar zu zerstören. Wer wird bereit sein, seinen Rücken krumm zu machen, denn er mit Ausschlafen und staatlicher Einkommensgarantie ein kommodes Auskommen hat? Wie bereits gesagt, so weit, so kurz gedacht.

Wer nun soll, außer Precht, die Welt retten? Ausgerechnet Politiker, denen der Autor an anderer Stelle den Vorwurf des „nicht weit genug Denkens“ vorwirft, sollen die Geeks in ihre Schranken weisen, die digitale Entmündigung der Menschen aufhalten und dafür sorgen, dass, wenn es nach Precht schon keine Arbeit mehr gibt, die Bürger dank BGE wenigstens der Selbstverwirklichung frönen dürfen. Das nenne ich mal eine Dystopie ersten Ranges.

„Jäger, Hirten, Kritiker“ ist ein Sammelsurium von Meinungen, die auszusprechen niemand, schon gar keinem Politiker, weh tut. Aber das sollen sie wohl auch nicht, denn der Autor möchte garantiert auch weiterhin DER mediale Darling sein. Jede Wette, hätte die GröKaZ, die größte Kanzlerin aller Zeiten, Angela Merkel einen Sohn, so müsste der wie Richard David Precht sein.




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Veröffentlicht am 12. August 2018