Buchkritik -- Kai Voss -- Das NSU-Phantom

Umschlagfoto, Kai Voss, Das NSU-Phantom, InKulturA In einem Rechtsstaat, der diesen Namen verdient, ist es die Aufgabe der Gerichte, unabhängig von politischen Intentionen oder drohenden Repressalien in Form von möglichen Karrierebrüchen, über Schuld oder Unschuld der angeklagten Personen zu entscheiden. Nicht umsonst gilt bis zu einem Urteilsspruch die Unschuldsvermutung der vor Gericht stehenden Menschen.

Dagegen wurde und wird im Prozeß gegen den sogenannten NSU, den "Nationalsozialistischen Untergrund", mit einer befremdlichen Energie verstoßen, die dieses Gerichtsverfahren längst zu dem gemacht hat, was wohl auch von Anfang an die politische Intention gewesen ist, nämlich zu einem Schauprozeß, dessen Ausgang in Wahrheit bereits vor der Anklageerhebung feststand.

In seltener Eintracht haben sich der als unabhängig verstehende Qualitätsjournalismus und das mit Zwangsgeldern üppig alimentierte Öffentlich-Rechtliche-Fernsehen entschieden, die Prinzipien des Rechtsstaates über Bord zu werfen und berichten seit Prozeßbeginn von der erwiesenen Schuld der einzigen Angeklagten. Wer die Zurückhaltung der Medien in Bezug auf als "mutmaßlich" bezeichnete linke oder ausländische Gewalttäter zur Kenntnis nimmt, der kann über die tendenziöse Berichterstattung im Fall des sogenannten NSU nur staunen.

Kai Voss lässt in seinem Buch "Das NSU-Phantom" die Merkwürdigkeiten, die Ungereimtheiten und mögliche staatliche Verstrickungen in die der sogenannten Terrorzelle des NSU vorgeworfenen Verbrechen Revue passieren. Bevor auch nur Ansatzweise die Verwicklung der, so der offizielle Tenor der Berichterstattung, Zwickauer Terrorgruppe in eine Mordserie an meist türkisch-stämmigen Migranten in den Fokus der Ermittlungen geriet, lag der Ermittlungsschwerpunkt auf mögliche Kontakte der Opfer zu kriminellen Kreisen, die, gemäß Beweislage, stark im Bereich des Möglichen lag.

Mit dem angeblichen Selbstmord von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nahmen die Ermittlungen eine vollkommen anderer Richtung an und kippten mit dem Vorwurf der Brandstiftung zur Vernichtung von Beweisen gegen Beate Zschäpe vollends die vormaligen Ergebnisse polizeilicher Untersuchungen im kriminellen Ausländermilieu und eine mögliche Beteiligung fremder Geheimdienste.

Doch nicht nur, so haben es die Recherchen von Kai Voss ergeben, ausländische Dienste waren in die bis heute mysteriöse Mordserie involviert, auch der Verfassungsschutz der Bundesrepublik spielte eine, durch die massive Aktenvernichtung verantwortlicher Stellen, wahrscheinlich niemals restlos aufzuklärende Rolle, ist doch bei mehreren Morden die Anwesenheit eines Agenten des VS bewiesen.

Es ist überaus schwer, in diesem Gewirr von Falschinformationen, ja sogar von Lügen offizieller Seite, die Wahrheit zu entdecken. Vollends wirr wird die Schuldzuweisung an die Adresse des NSU durch den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn, der entgegen aller ermitlungstechnischen Logik ebenfalls der sogenannten Zwickauer Terrorzelle zur Last gelegt wird.

Der Autor weist auf die vielen befremdlichen Widersprüche der offiziellen Ermittlungen hin. So z. B. die Tatsache, dass es dem Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt angeblich gelungen ist, sich 13 Jahre im Untergrund zu bewegen und in dieser Zeit die ihnen zur Last gelegten Verbrechen begangen zu haben - in Zeiten nahezu lückenloser Überwachung (Verkehrskameras, Videoüberwachung, etc.) ein Ding der Unmöglichkeit, zumindest wenn keine Hilfe offizieller Stellen im Spiel ist.

Eine weitere Merkwürdigkeit stellt die beim "Terrortrio" gefundene Dienstwaffe der ermordeten Heilbronner Polizistin dar, deren die ansonsten gut bewaffneten Mundlos und Böhnhardt wohl nicht bedurft hätten und die vom diesen "knallharten rechtsextremen Gewalttätern" wohl längst wäre vernichtet worden.

Die größte Zumutung für die Geduld eines kritischen Beobachters ist jedoch die sogenannte Beweismittelsicherung in der angeblich von Beate Zschäpe in Brand gesetzten Wohnung, wo nach und nach "Beweise" für die Taten des NSU gefunden wurden, so u. a. durch den Brand unbeschädigte Speichermedien wie USB-Sticks und DVDs.

"Das NSU-Phantom" von Kai Voss ist ein sehr gut recherchiertes Buch über die Unstimmigkeiten des durch die Medien gepushten NSU-Komplexes, der wie zufällig hervorragend in den gegenwärtig inszenierten politischen Mainstream passt und das geradezu die Frage nach dem Cui bono provoziert und so lässt es sich der Autor auch nicht nehmen, seine spekulative Sicht der Dinge zu äußern.

Damit schließt sich der Kreis, den Kai Voss zu Beginn des Buches mit seinen Ausführungen über das "Stay-behind" Netzwerk "Gladio" und dessen Aktivitäten geschildert hat. Es ist dem Bürger nur schwer zu vermitteln, wie es Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gelungen sein soll, über Jahre im Untergrund zu leben und trotzdem die ihnen zur Last gelegten Verbrechen mit kühler Professionalität zu verüben.

Allein das zum Leben benötigte Geld konnte unmöglich durch die ihnen ebenfalls vorgeworfenen Banküberfälle beschafft werden, schlicht und ergreifend, weil die erbeuteten Summen zu gering waren, um ein Leben im Untergrund, welches per se immer teuer ist, zu ermöglichen.

Die Wahrheit, so das pessimistische Fazit des Buches, wird wohl niemals ans Licht kommen, weil bereits viele Akten vernichtet worden sind, die hätten dazu beitragen können, die Tathergänge und eine mögliche Involvierung in- und ausländischer staatlicher Stellen zu belegen.

Übrig bleibt nur der schale Geschmack eines Bauernopfers, das in Gestalt von Beate Zschäpe und einem wohl, um es vorsichtig zu formulieren, bereits im Vorfeld des Prozesses gefällten Urteils zu einer Verfestigung des aktuellen politischen Mainstreams führen wird und eine davon abweichende Meinung unter den Generalverdacht des Rechtsextremismus stellt.




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Veröffentlicht am 15. November 2014