Buchkritik -- Stefan Kalbers -- Notausgang

Umschlagfoto, Notausgang, Stefan Kalbers, InKulturA "Notausgang", vor Jahren bereits beim seit 2007 nicht mehr existierenden Lautsprecherverlag erschienen und jetzt in einer Neuausgabe beim Unsichtbar Verlag herausgegeben, ist ein Roman der 90er Jahre. Erzählt aus den Ich-Perspektive, wird der Leser Zeuge eines sich auf permanenter Sinnsuche befindenden jungen Mannes, der, salopp formuliert, weder an sich noch an die Gesellschaft höhere Maßstäbe ansetzt, als von so viel Menschen wie möglich in Ruhe gelassen zu werden.

Es geht ihm so ziemlich alles am Arsch vorbei. Soziale Kontakte? Bis auf zwei Freundschaften, die doch eher als Party- und Besäufnisbegleitung fungieren, nicht vorhanden. Politik? Ist doch sowieso alles Scheiße. Gesellschaft? Am besten Augen zukneifen und ausblenden.

Das Milieu, in dem unser Begleiter durch die Befindlichkeit der 90er irrt, ist trist, kalt und leer. Seine Kellerwohnung genauso desolat wie das zerrüttete Innenleben des Erzählers und es besteht mangels aktiver Schübe keine Hoffnung auf Besserung. Stuttgart, da haust der Antiheld, ist eine Hölle. Dieser Aussage kann jeder, der diese Stadt (Muhaha) kurz vor der Jahrtausendwende kannte, nur beipflichten.

Sprachlich wuchtig und präzise lässt Stefan Kalbers seinen jungen Mann in dieser Zeit durch das Leben taumeln und liefert damit gleichzeitig eine Autopsie des damaligen Zeitgeistes. Die Malaise des Jünglings dürfte für das betuliche, literarisch saturierte und stets nur die Bestsellerlisten goutierende Lesepublikum zu spröde sein, hämmert doch der Autor die Attitüde des "über den Dingen stehend" als sich in Wahrheit erweisende pure Verzweiflung ins Bewusstsein des Lesers.

Nein, es wird keine Pardon gegeben. Gnadenlos wird man Zeuge, wie die Selbstauflösung eines Individuums vonstatten geht. Die ist so herzlos, so real und so knallhart beschrieben, dass sensible Naturen und karriergeile Beamtenstreber besser die Hände von diesem Roman lassen sollten. Achtung: Depressionsalarm!




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