Buchkritik -- Nate Silver -- Die Berechnung der Zukunft

Umschlagfoto, Nate Silver, Die Berechnung der Zukunft, InKulturA Der Blick in die Zukunft, das vorweg nehmende Wissen darum, was geschehen könnte und der Wunsch, bereits heute zu wissen, was morgen passiert, ist eine Erfindung des Menschen, um sich auf das vorbereiten zu können, was unter Umständen erst in späterer Zeit eintreten wird. So ist die Geschichte der Menschheit auch immer eine Geschichte von Prophezeiungen, Voraussagen und Prognosen.

Doch nicht immer treffen die Aussagen der Auguren zu. Das ist ärgerlich, zum einen für die Auguren selber, die in historischen Zeiten wenn schon nicht Leben, dann doch aber auf alle Fälle ihre Reputation verloren, zum anderen jedoch auch für alle diejenigen, die den Voraussagen Glauben geschenkt haben.

Prognosen und Voraussagen sind aus dem modernen Leben dann auch nicht mehr wegzudenken. Sinnvolle, die Zukunft betreffende Politik und eine ebensolche Wirtschaft sind in höchstem Maß abhängig von antizipatorischem Denken. Wie funktioniert dieses Denken und mit welchen Methoden kann man sich heuristischer Methoden bedienen, um einen Blick auf die Welt von morgen werfen zu können?

Nate Silver, amerikanischer Statistiker und Wahlforscher, hat ein Buch veröffentlicht, mit dem er den Leser hinter die Kulissen dessen blicken lässt, was über den Erfolg - oder den Misserfolg - einer Prognose entscheidet. "Die Berechnung der Zukunft", so der Titel der deutschsprachigen Ausgabe, taucht dann auch ein in die Welt der Prognostiker und Vorhersager und beginnt gleich mit einem Kapitel über die US-amerikanische Finanzkrise, aus der sich schnell eine globale entwickelte. Die Crux ist, Nate Silver erzählt es fast genussvoll, diese Krise wurde zwar von wenigen Wirtschaftswissenschaften vorausgesagt, doch niemand konnte, besser gesagt, niemand wollte ihnen Glauben schenken.

Und genau das ist das Thema des Autors. Aus welchen Gründen treffen manche Prognosen zu und warum zielen andere so vollkommen daneben? Nate Silver ist fraglos ein kompetenter Mensch wenn es darum geht, zutreffende Voraussagen zu machen. So sagte er anlässlich der amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2012 die Gewinner aller 50 Bundesstaaten korrekt voraus.

Die Kernaussage des Buches, dessen Originaltitel "The Signal and the Noise" lautet, besteht darin, dass eine gute, weil zutreffende Prognose abhängig ist von den Daten, die zu ihrer Aussage vorhanden waren und benutzt wurden. Signal und Rauschen sind die zentralen Begriffe, mit denen der Autor arbeitet. Aus der Fülle der Informationen (Rauschen) die richtigen Muster zu erkennen (Signal) macht den Wert einer Prognose aus.

Nate Silver führt dazu zahlreiche Beispiele an. Besonders die Meteorologen, deren Job es ist, das Wetter richtig vorauszusagen, haben aufgrund besserer wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich der klimatischen Vorgänge des Planeten ihre Trefferquote erhöhen können. Dass dies den meisten Wirtschaftswissenschaftlern vor der Finanzkrise nicht gelungen ist, beweist dass es nicht gelang, aus dem Rauschen der Finanzmarktes die richtigen Signale herauszufiltern. Oder lag es nicht doch viel mehr daran, der Autor ist da leider nicht sehr eindeutig, dass die Signale sehr wohl bekannt waren, die Gier jedoch stärker als alle Vernunft war?

Silver erläutert das Prozedere bei der Erstellung von Prognosen, aber auch die Probleme und Schwierigkeiten. Nicht immer sorgt eine gute Informationslage automatisch für die Erstellung einer zutreffenden Prognose. Die vorhandenen Daten müssen korrekt benutzt werden. Es ist, so Silver, ein Kräftemessen von Füchsen und Igeln. Während die Igel sich in einer Argumentationsschleife, sei sie politisch oder wissenschaftlich, abschotten und aufgrund dessen in der Interpretation des vorhandenen Datenmaterials zuviele eigene Positionen verwenden, sind die Füchse, zu denen sich natürlich auch Nate Silver zählt, weitaus flexibler, was den Umgang mit dem Rauschen, den Rohdaten, betrifft.

"Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen " ist in einer auch für den mathematischen und wissenschaftlichen Laien verständlichen Sprache geschrieben. Der Leser braucht zwar an manchen Stellen des Buches - die Vorliebe des Autors für Baseball - etwas mehr Stehvermögen, doch er wird ohne Zweifel mit einem informativen Werk über statistische Wahrscheinlichkeiten und den Möglichkeiten, aber auch den Grenzen von Prognosen belohnt.

Da war noch was, Hände weg vom Profipoker!




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Veröffentlicht am 15. November 2013