Buchkritik -- Robert Kisch -- Möbelhaus

Umschlagfoto, Robert Kisch, Möbelhaus, InKulturA Eine "Edelfeder", im normalen Sprachgebrauch ein "Qualitätsjournalist", also einer derjenigen, die in der Regel von nichts eine Ahnung haben, aber zu allem eine Meinung veröffentlichen, verliert aufgrund der Wirtschaftskrise seinen gut dotierten Arbeitsplatz. Da er jedoch für seine Frau und seinen Sohn sorgen muss, nimmt er den Job eines Möbelverkäufers, Verzeihung, Einrichtungsfachberaters an.

Damit beginnt für den Autor ein Martyrium, denn als Lohnschreiber kennt er eines garantiert nicht, die Realität. Ob gesellschaftlich oder sozial, das wirkliche Leben, das, was Millionen Menschen jeden Tag aufs Neue erleben und erleiden, kennt eine "Edelfeder" natürlich nicht. Dieser Typ Mensch lässt es sich eher auf Vernissagen gut gehen, plaudert beim Sektfrühstück mit Seinesgleichen, kassiert als Journalist üppige Rabatte auf Reisen, Computer und sonstige, den Normalverbraucher den vollen Preis kostende Waren; von den Bonusmeilen im Flieger ganz zu schweigen.

Jetzt also muss unser Mann, der gescheiterte Lohnschreiber, selbigen in einem Möbelhaus in der tiefsten Provinz stehen. Frau und Kind, hauptsächlich jedoch Frau, haben Bedürfnisse, die befriedigt werden wollen. Das ist beim Nachwuchs, bedingt durch dessen junges Alter noch relativ leicht zu bewerkstelligen. Da stellt die werte Frau Gemahlin, Ulrike, schon ganz andere Ansprüche.

Apropos Ansprüche, auch im Kreis der Freunde, Bekannten und Nachbarn spricht es sich herum, dass der ehemals mit Preisen ausgezeichnete Schreiber jetzt seine etwas kleineren Brötchen in einem Dienstleistungsgewerbe verdienen muss - pikierte Blicke von allen Seiten.

Nein, das Leben nach der Edelfederei ist schon eine Plage. Man kommt doch tatsächlich in Kontakt mit dem gemeinen Volk, das sich als genau das herausstellt, gemein. Immer auf der Jagd nach einem Schnäppchen und nach reichlich Rabatt, machen die bösen Menschen das Einkommen des frisch gebackenen Möbelverkäufers kaputt, arbeitet dieser, und alle seine Kollegen, doch auf Provisionsbasis.

Du meine Güte, die Menschen sind ja so ganz anders, als wir - die Edelfedern und Feuilletonisten - es immer schreiben, und, in Ermangelung realer sozialer Kontakte, wohl auch allen Ernstes geglaubt haben.

"Möbelhaus" von Robert Kisch ist ein Roman, der, stammt er denn wirklich aus der Feder eines "mit Preisen überhäuften" Ex-Journalisten, die Abgründe des Einzelhandels, hier den Verkauf von Möbeln, beschreibt. Zu Anfang etwas weinerlich im Ton, wird der Autor im weiteren Verlauf geradezu besessen von seiner Abneigung, geradezu seinem Hass, gegenüber seinen Kunden. Die werden dann schon mal zu Pack und zu Scheißtypen, weil sie mit ihren Rabattvorstellungen immer an der Provision des Robert Kisch nagen.

Natürlich ist die Lohnplackerei auf Provisionsbasis eine durch und durch menschenverachtende Weise sein Geld verdienen zu müssen. Doch, und diese Erkenntnis kommt der "Edelfeder" erst relativ spät, er ist nicht der einzige, der auf diese Art seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Solidarität und kollegiale Atmosphäre? Fehlanzeige, der Chef gibt die Richtung vor und die heißt immer wieder "Umsatzsteigerung".

Willkommen im richtigen Leben, Herr Kisch. Nichts da mit Gutmenschentum und entspanntem Umgang miteinander. Die Richtung heißt "Geiz ist geil" und dabei sind alle gleich; Akademiker und Jungproleten feilschen gnadenlos um die Prozente.

Und erst nach der Arbeit, da hat man ja gar keine Lust mehr auf geistvolle Aktivitäten, weil der Job so stressig ist und trotzdem oft nicht die Butter auf dem Brot dabei herauskommt. Ja lieber Herr Autor, das bemerken sie ganz richtig, Kunst ist Luxus und zwar der einer gut situierten Klasse, die nicht selten von Steuergeldern lebt, denn überall wo Kunst und Kultur draufsteht, findet man dahinter den Staat, der seine Kulturschaffenden nicht im Regen stehen lässt. Vielleicht hätte unser lieber Herr Kisch Kunst studieren sollen, denn für Künstler geht finanziell immer was.

"Möbelhaus" ist ein lesenswerter Roman über den Absturz eines "Qualitätsjournalisten" in die ganz normale Welt. Hoffentlich geht es dem Rest dieser Bande bald genauso. Schuhverkäufer werden dringend gesucht!




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Veröffentlicht am 11. März 2015