Buchkritik -- Jean-Christophe Grangé -- Die marmornen Träume

Umschlagfoto, Buchkritik, Jean-Christophe Grangé, Die marmornen Träume, InKulturA Es ist ein irres Trio, das sich da wider Willen zusammengefunden hat. Simon Kraus, der smarte Psychoanalytiker und Traumforscher mit einem einträglichen Geschäftsmodell. Er behandelt die Ehefrauen hoher Nazi-Funktionäre, schläft mit ihnen und erpresst sie mit den ihm erzählten Neurosen der Damen, die selten mit der herrschenden Ideologie übereinstimmen. Der SS-Offizier Franz Beewen, ein Haudrauf der benötigten Art, immer bereit auf Befehl zuzuschlagen und dem Intellekt nicht gerade zugetan. Dann ist da noch die aus altem deutschen Adel stammende Psychiaterin Minna von Hassel, die neben und mit ihrer Alkoholabhängigkeit vergeblich versucht, ein Heim für schwer verwundete WK I Soldaten ordentlich zu leiten. In dieser letzten Zuflucht des Irrsinns vegetiert auch der Vater des SS-Offiziers in seinem Wahn dahin.

Den drei gemeinsam ist ein Opportunismus, der Roman spielt im Berlin des Jahres 1939, der dafür sorgt, am Leben zu bleiben und vom System zu profitieren. So bewohnt Kraus eine ehemals von Juden besessene Wohnung im Zentrum von Berlin und Minna von Hassel, eine exotische Außenseiterin, glaubt sich durch ihre Abstammung sicher vor Verfolgung durch das Regime. Beewen dagegen hofft auf Versetzung nach Polen, denn beim bevorstehenden Angriff Hitlers auf das Land will er unbedingt dabeisein.

Letzteres macht der Mord an einer der Nazi-Ehefrauen zunichte, die von Simon Kraus analysiert wurde. Als weitere Frauen ermordet werden, die ebenfalls Patientinnen des Psychoanalytikers waren und gleichzeitig zum Wilhelmklub, einem illustren Zirkel reicher Nazi-Frauen, der jeden Tag im Hotel Adlon zusammenkommt, gehörten, finden sich die drei unfreiwillig zusammen, um die Morde aufzuklären.

Es ist ein bitterböser Roman, den Jean-Christophe Grangé da geschrieben hat. Mitten im Wahnsinn und Wüten des Nationalsozialismus treffen drei Personen aufeinander, die bis auf ihre opportunistische Haltung nichts verbindet. Doch die Geschichte nimmt eine andere Wendung, denn auf einmal müssen sie zusammenarbeiten und tauchen dabei in die widerlichen, von Grangé mitunter pervers-genüsslich beschriebenen Grausamkeiten des Terrorregimes ein.

Die ermordeten Frauen des Wilhelmklub entpuppen sich auf einmal als Psychopathinnen, die Gestapo weiß anscheinend immer mehr als Beeven und mittendrin zieht ein skrupelloser Nazi-Arzt, unschwer als Josef Mengele, der „Todesengel“ von Auschwitz, zu erkennen, die Fäden. Von mit sadistischem Vergnügen prügelnden und folternden Schergen des Systems ganz zu schweigen.

„Die marmornen Träume“ ist ein historischer Thriller, der unter die Haut geht und die Leserinnen und Leser dürften sich nicht selten die Frage stellen, was an diesem Roman ein Stück Zeitgeschichte ist und was Fiktion; so oft wechselt der Autor die Perspektive.

Herausgekommen ist ein mit profunden historischen Kenntnissen geschriebener Roman, der aufgrund der akkuraten Schilderungen gerade des städtebaulichen Berlins im Jahr 1939, das Lesepublikum in seinen grausamen Bann zieht.

Aber, und das sei dringend angemerkt, dieser Thriller ist nichts für schwache Nerven und Schneeflöckchen sollten ihn besser nicht in die Hand nehmen, denn bis die drei den Fall aufgeklärt haben, werden die Leserinnen und Leser Zeugen so mancher real stattgefunden habenden Grausamkeiten.

Leider, und das ist ein kleiner Wermutstropfen des ansonsten brillanten Thrillers, ist der Schluss etwas unbefriedigend und hinterlässt durch seine, nennen wir es Seelenerhebung, einen schalen Nachgeschmack.




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Veröffentlicht am 27. Februar 2023