Buchkritik -- Beau Lotto -- Anders Sehen

Umschlagfoto, Buchkritik, Beau Lotto, Anders Sehen, InKulturA "Wissen ist Macht, doch weniger Wissen ist auch gut", diese These, freilich mit dem Nachsatz "... noch besser ist allerdings mehr verstehen" kombiniert, ist die zentrale Aussage des Buches von Beau Lotto. Seines Zeichens Professor der Neurowissenschaften am University College London, bringt er den Leser mit seinem Buch auf den aktuellen Wissensstand der Wahrnehmungspsychologie und räumt noch einmal auf mit der liebgewordenen aber naiven Vorstellung auf, wie könnten die Welt so sehen wie sie ist.

Da unsere Sinne und damit auch unser Wahrnehmungsvermögen beschränkt sind auf einen eng begrenzten Wellenbereich, bleibt uns nur der Filter der individuellen Wahrnehmung, die uns jedoch, so Lotto, immer täuscht. Da die Welt nicht so ist, wie wir sie sehen, wird sie vom Gehirn stets interpretiert und was wir Lernvorgang, Selektion oder Entwicklung nennen, ist in Wirklichkeit stets ein Rückgriff auf in der Vergangenheit Bewährtes und Evolution damit also immer die Auslegung der Gegenwart durch Rückgriff auf die Vergangenheit.

Ist der erste Teil des Buches ein Sachbuch, aufgelockert durch zahlreiche Selbstexperimente wahrnehmungstechischer Fallstricke, so mutiert der zweite Teil zu einem nicht immer gelungenen Ratgeber für ein Gespür bezüglich des Verlassens eingefahrener Seh- und damit auch Denkweisen und das Plädoyer für ein anderes, die Welt differenzierter erlebenden Sehens. Aber mal ehrlich, Tipps, wie z. B. "Reisen verändert die Perspektive" oder "Abwechslung ist gut für eine Beziehung" erinnern doch stark an die üblichen Verdächtigen des Genres Lebensbewältigungsliteratur.

Ich weiß ja nicht, welche Ratschläge und Weisheiten Sie von ihren Großeltern und Eltern mitbekommen haben, Oma und Opa wussten z. B. schon vor vielen Jahrzehnten, dass eine Vielzahl von Erfahrungen und das Verlassen ausgetretener (Lebens)Pfade die eigentliche Würze des Lebens ausmacht.

Während die erste Hälfte des Buches den Leser vortrefflich und anschaulich über seine Wahrnehmungslücken informiert, ist die zweite Hälfte leider nur alter Wein in neuen Schläuchen.




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Veröffentlicht am 12. März 2018