Buchkritik -- Lars Gustafsson -- Gegen Null

Umschlagfoto  -- Lars Gustafsson  --  Gegen Null Bin ich in diesem Augenblick, der, wenn ich an ihn denke, immer schon vergangen ist, real, oder bin ich bereits Geschichte? Was bleibt von mir, wenn sich die Zeit, das Phänomen der individuellen Nichtgreifbarkeit, hinter mir verschließt und vor mir alle Möglichkeiten öffnet? Was kann ich von den Möglichkeiten wissen, die ich niemals realisieren werde? Bin ich, ist mein Leben Zufall und nur gekennzeichnet von der Einsamkeit zwischen den Galaxien?

Beginnen Sie zu ahnen, worüber wir sprechen? Mit dieser Frage spielt Lars Gustafsson des öfteren in seinem Buch Gegen Null geschickt auf der´Klaviatur menschlichen Geworfenseins in eine Existenz, die - mathematisch - gesehen, eher den Charakter einer Unwahrscheinlichkeit besitzt, als die hilfskonstruierte Bedingtheit einer Notwendigkeit.

In der Diktion charmant, in der Konsequenz jedoch eindeutig, führt Gustafsson dem Leser vor Augen, dass wir es nur dem Zufall zu verdanken haben, existent zu sein. Genauso gut hätte es geschehen können, dass wir nicht gewesen wären - vielleicht überhaupt nicht, vielleicht aber auch in anderer Form und Gestalt. Alles ist möglich, also ist es auch wahrscheinlich, dass alles geschieht.

Der Mensch weiß seit Urzeiten um seine Stellung im Universum. Klein und unbedeutend, von Ängsten erfüllt und mit fragiler Körperlichkeit ausgestattet, gebraucht er Hilfskonstruktionen religiöser und philosophischer Natur, um sein solitäres Dasein im Angesicht des ihn umgebenden Universums ertragen zu können.

Müssen wir jetzt verzweifeln und dem dunklen Himmel über uns, der gleichgültig auf die menschlichen Kapriolen herabsieht, grollen? Lars Gustafsson verneint dies. Es gibt keinen Grund zur Panik. Wir sind gut aufgehoben, denn wir sind ein Teil des großen Stroms der ewigen Evolution. Unmittelbar im Hier verortet, sind wir trotzdem immer "auf dem Weg zu..." Unsere Existenz ist nicht schlechter oder besser als andere, die uns voraus gingen und deren, die der unsrigen folgen werden. Das Universum ist ein großer Tummelplatz der Möglichkeiten. Unsere Welt ist eine davon.

Lars Gustafssons Buch Gegen Null ist mehr als eine mathematisch-physikalische Plauderei, wie sie gerne - und für den Leser gewinnbringend - von Quantenphysikern oder Astronomen unternommen wird. Dieser Autor nimmt sein Publikum mit auf einen Spaziergang, der, ob der schieren Unwahrscheinlichkeit unserer Existenz, an jeder Wegmarke eine neue Art der Bescheidenheit setzt. Gerade aus diesem Wissen ergibt sich jedoch die einfache Erkenntnis, dass menschliches Dasein äußerst fragil daherkommt und aus diesem Grund für uns wertvoller sein sollte, als es bislang der Fall war.

Abseits von abstrakter Sinnsuche ist Gegen Null ein Buch, das mit leisen Tönen den unermesslichen Wert jeden Lebens beschreibt. Ein Universum, geboren aus der Unwahrscheinlichkeit, unsere Welt, ein purer Zufall, daraus ergeben sich zwangsläufig Konsequenzen, deren Relevanz aktuell noch nicht einmal in Ansätzen sichtbar ist. Es ist an der Zeit, unsere Existenz durch eine andere Brille zu betrachten. Lars Gustafsson hat mit seinem Buch möglicherweise den Anstoß zu einer neuen Philosophie gegeben. Neu in dem Sinne, dass wir unsere Spezies nicht mehr ganz so wichtig nehmen sollten. Vielleicht wäre es an der Zeit, über eine neue Leichtigkeit des Sein nachzudenken.




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