Buchkritik -- Luise Boege -- Kaspers Freundin

Umschlagfoto, Luise Boege, Kaspers Freundin, InKulturA "Später gewöhnte er sich das Sprechen ab, sagte aber niemandem etwas davon." Ein Satz, scheinbar lapidar hingeworfen, versetzt den Leser in eine reflektierende Unruhe, die ihn, wie eine nicht mehr aus dem Ohr zu bekommenden Melodie, noch lange beschäftigen wird.

Der Roman, aus dem dieser einem Koan des Zen-Buddhismus nicht unähnliche Satz stammt, heißt "Kaspers Freundin" und wurde von Luise Boege veröffentlicht. Ein Paar hat sich getrennt, aber, wie der Klappentext es beschreibt, "... weil einsame Menschen dieser Tage Gefahr laufen, von der galoppierenden anämischen Depression dahingerafft zu werden, sehen sie sich, gegen alle Vorsätze, einfach doch wieder."

Und damit beginnen auch die Probleme. Kasper, der im Haus seines verstorbenen Großvaters wohnt, ist, wie auch seine Freundin, ein Solitär, der an seiner Einsamkeit zu Grunde gehen droht, aber, und das hat er mit seiner Freundin, deren richtigen Name der Leser niemals erfährt, gemein, auch in Beziehung zu den anderen, ebenfalls namenlosen Figuren, immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen wird.

Luise Boege spielt in ihrem Roman geschickt mit der Sprachlosigkeit ihrer Protagonisten, die, fast als lebten sie in ihren eigenen Universen, mit einer Virtuosität aneinander vorbei reden, dass der Leser den Eindruck erhält, es eher mit sprechenden Billardkugeln zu tun hat, als mit bewußt handelnden Individuen.

Sie alle, der violette Herr, der Notar, die jungen Leute von Hohenzollernverein und der Bäcker werfen Kasper immer wieder auf sich selbst zurück und unterminieren permanent seine Versuche, Sinn ins Absurde zu bringen. Überhaupt der violette Herr, ein Vampir, den Luise Boege so vollkommen dem Genre konträr angelegt hat. So einsam auf dem Sofa sitzend, förmlich nach Gesellschaft lechzend, ist er die eigentlich tragische Figur des Romans, die jedoch mit ihrer zweideutigen - beißt er oder beißt er nicht - Präsenz die Ambivalenz sämtlicher Beteiligten wiederspiegelt.

Die Autorin versteht es ausgezeichnet mit ihrer literarischen Diktion die Grenzen zwischen real und surreal durchlässig werden zu lassen. "Kaspers Freundin" ist ein geschicktes Spiel mit Stimmungen und Befindlichkeiten, das, lässt der Leser sich darauf ein, ein Kaleidoskop meist vergeblicher Kommunikationsversuche bietet.

Literatur ist auch immer ein Spielen mit Formen und Ausdrucksmöglichkeiten. Luise Boege ist darin eine Meisterin. "Kaspers Freundin" ist ein Roman, der, vordergründig etwas sperrig und gewöhnungsbedürftig daherkommt, sich jedoch bei etwas intensiverer Lesearbeit als überaus pointenreich erweist und mit abgründigem Humor geschrieben ist.

Für Leser, die abseits des literarischen Mainstreams stilistische Herausforderungen lieben, ist "Kaspers Freundin" von Luise Boege die richtige Wahl.




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Veröffentlicht am 15. Mai 2015