Buchkritik -- heute.gestern.morgen -- Geschichten über den Stadtalltag

Umschlagfoto  -- heute.gestern.morgen  --   Geschichten über den Stadtalltag Die Literaturstiftung Bayern hat mit LITERATUR UPDATE 2012 den zweiten Prosawettbewerb für junge Autoren ausgeschrieben. In der Anthologie "heute.gestern.morgen Geschichten über den Stadtalltag" sind die zehn besten Kurzgeschichten veröffentlicht.

"Wie erfahren junge Menschen den Lebensraum Stadt?", unter dieser Fragestellung beschreiben und erzählen junge Schriftsteller ihre Eindrücke und Gefühle, die, angesichts einer urbanen Lebenswelt, die nicht immer dem menschlichen Grundbedürfnis nach Schutz und Heimat entspricht, unweigerlich in individuell verschiedene Einzelaspekte diffundieren.

Die Stadt, immer eine Agglomeration von Partikularinteressen und damit auch ein genuin besorgniserregendes Terrain, ist sowohl öffentlicher Raum als auch ein Rückzugsgebiet für diejenigen, die die städtische Enge, die Hektik, den Lärm und die soziale Kälte einem "artgerechten" Leben in den weiten Räumen des Ländlichen bevorzugen.

Prallen in den Straßen- und Häuserschluchten individuelle Befindlichkeiten aufeinander, so bleiben Verletzungen und permanente Animositäten nicht aus. Der städtische Raum provoziert geradezu eine Kollision von Einzelinteressen, die, wie in den hier veröffentlichten zehn Beiträgen, erst einen Blick auf die Gesamtheit der atmosphärischen Störungen ermöglicht.

Stadt bedeutet auch permanenter Wandel. Diesen beschreibt die Trägerin des 1. Preises, Kenah Cusanit, indem sie geschickt die Wohnungssuche eines Studenten in Bayreuth mit einem weit gezogenen historischen Bogen dieser Stadt verknüpft. Die Einsamkeit einer Frau und die Suche nach Zugehörigkeit beschreibt Lene Albrecht in der Figur einer Frau, deren Suche nach Geborgenheit sich im Kochen von Apfelmus verliert. Derweil findet vor ihren Fenstern der gesellschaftliche Umbruch der Nachwendezeit statt. Florian L. Arnold erzählt die skurrile Geschichte einer Kindheit im Wirtshaus und, sehr eindringlich, Stefan Vidovic schreibt über die Lebenswelt von drei Jugendlichen, deren Zukunft bereits durch die Gegenwart vernichtet wird.

Stadt, das bedeutet auch Anonymität und verpasstes Leben. Karoline Grieber wirft einen Blick auf die verschiedenen Lebensentwürfe der Bewohner einer Münchener Straße und Heinz Helle lässt den Leser während einer morgendlichen U-Bahn-Fahrt an fiktiven Geschichten über das Leben der Fahrgäste teilhaben. Mein persönlicher Favorit ist der Text von Lukas Spranger über den verschlungenen Weg, den eine 2-Euro-Münze gezwungen ist, quer durch die Stadt zu nehmen.

Die zehn in diesem Band veröffentlichten Geschichten sind so vielfältig, wie urbanes Leben selber. Auffällig ist die Tatsache, das anscheinend keiner der Autoren und Autorinnen die Stadt, so wie sie von ihnen beschrieben wird, als wirkliche Heimat, als das "dort wo ich zuhause bin" betrachtet. Die Stadt als Ausdruck von Anonymität und Unbehaustsein - ein Blick auf die Zukunft, den bereits die Gegenwart für uns bereithält?