Buchkritik -- Ester Kinsky -- Hain

Umschlagfoto, Buchkritik, Ester Kinsky, Hain, InKulturA Drei Orte, Olevano, Chiavenna und Comacchio, Schauplätze wieder erinnerter Vergangenheit und deren Bewältigung. Nicht das Italien der Klischees, sondern eines, das in den Tourismus fernen Monaten bereist und (wieder) erkundet wird und stets die Gegenwart auf einst Gewesenes treffen lässt, das sich jenseits des azurblauen Himmels befindet. Kälte, Schnee, Regen und Nebel sind die einzigen Begleiter, denen eine namenlose Erzählerin es gestattet, sich ihr zu nähern und sie zu begleiten.

Eine einsame Zwiesprache mit dem anscheinend Banalen, dem in der Regel achtlos beiseite Gedrängten und dem Unauffälligen lässt Ester Kinsky ihre Figur führen. Immer rekurrierend auf den fragilen Moment zwischen Leben und Tod, zwischen Verlust und Trauer, entdeckt sie Leben im achtlos Verworfenen.

Allein ist die Wanderin allemal, doch beileibe nicht einsam. Ihre Wanderungen, menschliche Nähe möglichst vermeidend, sind Exkursionen in eine Innerlichkeit, die, obwohl sich einem Minimalismus des Geschehens bedienend, Assoziationen hervorrufen, deren Intensität den Leser ungewollt in die Rolle eines Voyeur drängen, denn näher und intimer als die Autorin es zulässt, ja geradezu herausfordert, kann man einer Figur nicht kommen.

Esther Kinsky hat mit diesem, so der Untertitel, "Geländeroman", ein stilles literarisches Meisterwerk geschrieben, das wohl nur diejenigen vollkommen verstehen und nachvollziehen können, für die ein neblig graues Flussdelta kein Ort der Leere ist, sondern ein Ort der Manifestation individueller Stärke angesichts der Immanenz des Vergehens.




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Veröffentlicht am 5. Mai 2018