Buchkritik -- Donna Leon -- Feine Freunde

Umschlagfoto  -- Donna Leon  --  Feine Freunde Guido Brunetti, der sympathische Commissario aus der Lagunenstadt Venedig, muß sich diesmal erneut mit den moralischen Abgründen der Bewohner der Wasserstadt auseinandersetzen. Als ob dies noch nicht genug wäre, bekommt er auch einen Besuch vom venezianischen Katasteramt. Der Beamte macht Brunetti freundlich, aber bestimmt darauf aufmerksam, daß es für die von Familie Brunetti gekaufte Wohnung keine Baupläne gibt und sie somit für das Amt gar nicht existiert. Die Alternative besteht darin eine Strafe zu zahlen und die Wohnung abreißen zu lassen, oder in typisch italienischer Manier, die zuständigen Stellen "finanziell" zu unterstützen, sprich sie zu bestechen.

Brunetti ist auf einmal in dem typischen venezianischen Netz, gewoben aus gegenseitiger Abhängigkeit, Beziehungen und Bestechung gefangen. Auch in seiner Dienststelle häufen sich die Probleme. Der Sohn seines Vorgesetzten, Vize-Questore Guiseppe Patta, wurde wegen Drogenhandel verhaftet und von Brunetti wird erwartet, das er die Sache so gut wie möglich aus der Welt schafft.

In dieser Situation erfährt Brunetti, das der Beamte, der ihn wegen seiner Wohnung aufgesucht hatte, einen tödlichen Unfall erlitten hat. Schnell bekommt er heraus, das es ein Mord gewesen sein muß und beginnt seine Ermittlungen. Sie führen ihn mitten hinein in den Sumpf aus Korruption, Bestechung, Lügen und anderen Verbrechen. Er kommt einem geschickt operierenden Netzwerk auf die Schliche, welches mit dem Wuchergeschäft und dem Handel "offiziell" erworbener Wohnungen enorme Geldsummen verdient.

Guido Brunetti, der unbestechliche Beamte, muß einmal mehr seine Beziehungen spielen lassen, um einerseits diesen Fall lösen zu können und um andererseits seine Wohnung vor den Abriß zu bewahren. Beides fällt ihm, der so untypisch italienisch korrekt arbeitet, äußerst schwer. Er befindet sich plötzlich dort wieder, wo er sich eigentlich niemals befinden wollte; mitten in der venezianischen Korruption. Er, der das System immer abgelehnt hat, muß sich jetzt dessen Spielregeln beugen, um zu verhindern, das die Existenz seiner Familie gefährdet wird.

Umgeben von unfähigen und unwilligen Kollegen, behindert von Standesdünkel und engstirnigen Vorgesetzten, aber auch verzweifelnd an der Zunahme der alltäglichen Kriminalität, wird Brunetti seiner eigenen Heimatstadt immer entfremdeter. Die Tatsache, das er selber der Hilfe von "Feinen Freunden" bedarf, belastet sein Gewissen enorm. Er, der sich selber von den venezianischen Niederungen und Gepflogenheiten so weit entfernt glaubte, steckt auf einmal mitten drin.

Donna Leon hat diesmal einen Commissario Brunetti entworfen, der fast an den Realitäten der Lugunenstadt scheitert. Der moralisch Gute hat keine Chance, wenn er auf eine Gesellschaft trifft, die durch und durch verdorben ist. Niemals war Brunetti einsamer, als in diesem Roman.




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