Buchkritik -- Christian Kracht -- Eurotrash

Umschlagfoto, Buchkritik, Christian Kracht, Eurotrash, InKulturA »Das wäre doch ziemlich langweilig«, sagte sie. »Wen würde das denn interessieren? Eine Geschichte, in der absolut gar nichts passiert, außer daß sich eine alte Frau ab und zu mit ihrem Sohn streitet.«

Besser als Christian Kracht, der in diesem, ja was eigentlich, Roman, biographisch-selbstzerfleischendem Generalabrechnungswerk, Bauchnabelbespiegelungselaborat?, als Christian Kracht mit der Geschichte seiner Familie hadert. Rückwärtsgewandt immer der Blick. Der Vater ein zu Vermögen gekommener Emporkömmling, nie angekommen und angenommen von den wirklich Reichen, Mächtigen und Einflussreichen, mit denen, genauer gesagt mit deren Kontakt und guten Beziehungen der Icherzähler Kracht nicht müde wird zu kokettieren. Man kennt, nein, man kannte sich von Sylt und den anderen Ecken Europas, wo der Geld- und weniger der Geistesadel Hof hielt.

C. Kracht als C. Kracht kotzt sich aus. Kotzt sich über das angehäufte Familienvermögen aus, über die Naziverstrickungen der Familie, über Schweizer Befindlichkeiten bezüglich der bänkerischen Profitmaximierung und der eigenen Hartleibigkeit angesichts des anstehenden außerplanmäßigen Besuchs bei der Mutter, die in ihrer eigenen Welt aus Alkohol und pharmazeutischen Produkten lebt und mit der zusammen er auf eine tragische Reise durch die Schweiz und durch die Familiengeschichte fährt.

Kein Wunder, das „Eurotrash“ – Nomen est Omen – beim deutschsprachigen Feuilleton nasse Spuren hinterlassen hat. Dort pflegt man ebenfalls seit langem die eigenen Stoffflusen des Bauchnabels. Große Erzählungen ist das schreibende und wertende Personal nicht mehr gewohnt. Wie auch? Der Blick zurück ist doch inzwischen tief im genetischen Code deutscher Schöngeister eingebrannt. Selbstgeißelung und Fremdschämen verkauft sich gerade in Deutschland immer gut.




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Veröffentlicht am 8. Juni 2021