Buchkritik -- Per Ole Enquist -- Der fünfte Winter des Magnetiseurs

Umschlagfoto  -- Per Ole Enquist  --  Der fünfte Winter des Magnetiseurs Das 18. Jahrhundert war wie kein anderes vor ihm ein in sich selbst widersprüchliches. Die Naturwissenschaft und die Vorläufer der politischen Theorien nahmen hier ihren Ursprung. Die Aufklärung zog ihren Weg durch Europa und in ihrem Kielwasser folgten neue Ideen. Der Mensch wollte sich von seinen herrschenden Fesseln befreien und zu einer neuen Höhe und Qualität des Dasein gelangen. Keine irrationale Autorität sollte ihn mehr in seinem Entwicklungsdrang behindern. Frei und unabhängig will er von nun an sein, keinen Herrscher mehr über sich dulden und nur noch als Individuum anerkannt werden. Schnell machte die Französische Revolution von 1789 deutlich, wie frei und gleich der Mensch wirklich war. Der Bürger traf seinesgleichen unter dem Fallbeil der Guillotine.

Doch wollte der Mensch das wirklich? Freiheit, Gleichheit und die Verlorenheit und der Schrecken des schrankenlosen Individualismus? Schnell entflammt von den Idealen der Aufklärung und mindestens ebenso schnell enttäuscht über den gnadenlosen Rationalismus, die eiskalte Logik und das Verschwinden des Emotionalen, wenden sich die Menschen, wie sie es zu allen Zeiten getan haben und auch immer wieder tun werden, denjenigen zu, der ihnen das verspricht, was sie am meisten entbehren. Der Glaube an Wunder, am Mythen, an das gerade Nicht-Alltägliche führt sie immer wieder in die Fänge von selbsternannten Wunderheilern.

Der Roman von Per Olov Enquist Der fünfte Winter des Magnetiseurs erschien bereits im Jahr 1966 in deutscher Ausgabe. Nach dem großen Erfolg seines Buches Der Besuch des Leibarztes wurde er jetzt noch einmal aufgelegt. Das Werk ist noch immer ein Lehrbeispiel für die Verführbarkeit des Menschen. Mag seine Umwelt auch noch so sehr die Logik und den Verstand betonen, mag auch das alltägliche Leben von diesen Werten bestimmt sein, so wird doch in seinem Inneren immer die Sehnsucht nach den, mit dem Verstand nicht zu fassenden Dingen und der Glaube an Wunder vorherrschen.

Als Wunderheiler zieht er durch die Lande. Friedrich Meisner, der Magnetiseur, von den einen wie ein Held und Guru verehrt, von den andern gejagt, weil sie in ihm einen Scharlatan, Volksverhetzer und Vergewaltiger sehen. Den Winter 1793, den fünften Winter auf seiner Flucht, verbringt er in der kleinen bayerischen Stadt Seefond, wo er ein blindes Mädchen durch Magnetismus und Hypnose heilt. Bald hat er großen Zulauf: beinahe die ganze Stadt gerät in seinen Bann. Aber werden die Menschen wirklich gesünder und glücklicher durch ihn, oder gewinnt er durch Illusion Macht über sie?

Friedrich Meisner, für dessen Porträt der Autor manche Züge aus der Biographie Franz Anton Mesmers entlieh, lebte nur wenige Jahre nach dem königlichen Leibarzt Struensee, doch die Fortschritte der Aufklärung drohten bereits in einer neuen Welle des Irrationalismus unterzugehen. Das unterschwellig immer vorhandene Bedürfnis des Menschen nach dem Irrationalen, nach dem nicht-erklärbaren und dem geheimnisvollen, kommt auch in diesem Roman zum Vorschein. Das Werk ist zugleich ein historischer Roman aber auch die aktuelle Geschichte eines Verführers und Demagogen, der eine gefährliche Faszination auf die Menschen ausübt.




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