Buchkritik -- John le Carré -- Empfindliche Wahrheit

Umschlagfoto, John le Carré, Empfindliche Wahrheit, InKulturA Auf Gibraltar wird eine geheime Anti-Terror-Operation gestartet, die vollkommen aus dem Ruder läuft und das Leben von zwei unschuldigen Menschen kostet. Die Aktion ist das Ergebnis der Zusammenarbeit, eines Joint Venture, zwischen der britischen Regierung, vertreten durch das zwielichtige, aber hochrangige Regierungsmitglied Fergus Quinn und Jay Crispin, dem Chef einer internationalen Sicherheitsfirma. Nach dem desaströsen Scheitern der Operation werden die Geschehnisse vertuscht.

So oder ähnlich beginnen viele Spionageromane, doch John le Carré hat es verstanden, daraus einen Roman zu machen, der auf der Höhe der Zeit ist. "Empfindliche Wahrheit" ist als spannende Erzählung über einen Whistleblower angelegt, der sich zwischen Loyalität zu seinem Arbeitgeber, dem britischen Außenministerium, und der Wahrheit entscheiden muss.

Toby Bell, eigentlich nicht der typische Held, wird zu einem Spielball der Interessen. Natürlich kann es der britischen Regierung nicht daran gelegen sein, die gescheiterte Aktion auf Gibraltar zuzugeben. Aus diesem Grund werden die Beteiligten nach der Operation entweder auf andere Posten versetzt, natürlich die Karriereleiter hinauf oder mit Geld und lukrativen Jobs in der privaten Sicherheitsbranche zum Schweigen verpflichtet.

Nur einer, Jeb, der Chef der britischen Einsatztruppe will nicht mehr schweigen. Er ist seit dem Vorfall schwer traumatisiert und er will die gescheitere Aktion der Öffentlichkeit preisgeben. Das ist für das britische Außenministerium vollkommen undenkbar und es macht sich daran, den unbequemen Zeugen zum Schweigen zu bringen.

Wieviel Geheimhaltung ist notwendig und muss ein Land zu seinen Fehlern im Kampf gegen den Terror stehen? John le Carré hat aus dieser Frage einen spannenden Roman gemacht, der, oftmals mit extremen Sarkasmus geschrieben, wenig übriglässt vom britischen Dünkel und noch viel weniger von der praktizierten Zusammenarbeit der Regierung mit privaten Kriegsdienstleistern.

Es ist eine Welt der Intrigen und des schmutzigen Geldes, in die le Carré den Leser wieder einmal mitnimmt. Toby Bell, der Antiheld, gerät in einen Gewissenskonflikt, der ihm, ein typischer Karrierebeamte, schwer zu schaffen macht. Es sind schmutzige Dinge, die von zweifelhaften Figuren inszeniert werden. An der Schaltstelle zwischen Regierung und Militär sitzen längst die Nutznießer der privaten Kriegswirtschaft, denen es möglich gemacht wird, ihr Engagement mit offiziellem Segen auszuüben. Dass dabei auch viel Geld den Besitzer wechselt, beschreibt John le Carré mit deutlich wahrnehmbaren Ekel.

"Empfindliche Wahrheit" ist ein Geheimdienst- und Politroman, der, wie so oft bei diesem Autor, an der Integrität staatlicher Institutionen zweifeln lässt.




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Veröffentlicht am 17. Dezember 2013