Buchkritik -- Christian Peter Dogs -- Gefühle sind keine Krankheit

Umschlagfoto, Buchkritik, Christian Peter Dogs, Gefühle sind keine Krankheit , InKulturA Hart im Nehmen sein, tough durchs Leben gehen und als ein nützliches Mitglied im neoliberalen Kosmos gelten, das ist die aktuelle (Erfolgs)Maxime. Dabei gibt es jedoch Störfaktoren und die heißen Gefühle. Diese natürlichen Reaktionen der Psyche haben ebenfalls Auswirkungen auf die Physis und stehen im sog. modernen Leben damit unter dem Generalverdacht der Insubordination. Dabei, so Christian Peter Dogs, Klinikleiter und Facharzt für Psychiatrie und Psychosomatik, sind Gefühle ein vollkommen normale Angelegenheit, ja geradezu notwendig, um die vielfältigen, nicht immer positiven Herausforderungen des Lebens zu meistern.

"Gefühle sind keine Krankheit", so der Titel des an vielen Stellen den gesellschaftlich akzeptierten Mainstream des medizinisch-psychologischen Alltags provozierenden Buches. Dabei konzentriert sich der Autor weniger auf die Aufzählung und Darstellung von Gefühlen, als vielmehr auf deren, sollten sie unterdrückt werden, Auswirkungen auf die Psyche und das Leben des Menschen.

Dessen Gehirn ist, so Dogs, mit dem Ende der Kindheit abschließend verschaltet, der Charakter festgelegt und die individuellen Wesenszüge ein für allemal zementiert. Eine wesentliche Veränderung ist, entgegen naiver Vorstellungen, nicht mehr möglich. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Handlungen und Taten eines Menschen dadurch entschuldigt werden können – in der aktuellen Debatte um individuelle Verantwortung findet die These von der Unfreiheit menschlichen Willens leider immer mehr Unterstützung – sondern Veränderung ist, wenn auch marginal möglich.

Christian Peter Dogs, in jungen Jahren durch eine harte Schule des Lebens gegangen, räumt mit so manchen tradierten Methoden und Vorstellungen auf, dass man geneigt ist, sich Sorgen zu machen um seine berufliche Reputation. Doch, sein Buch belegt das, der Mann ist Kämpfe und das Betreten eigener Wege gewohnt.

Da die Verschaltung in unserem Gehirn, Dogs belegt das im ersten Kapitel, nach dem Ende der Kindheit beendet also festgelegt ist, hat das psychoanalytische Bohren in der Vergangenheit keinen großen Sinn, "Deshalb", so der Autor "ist es wichtig, sich in der Therapie seiner Gegenwart zu stellen und sich nicht in seiner Vergangenheit zu verkriechen." Es ist die Gegenwart, die krank macht und die Vergangenheit "... kann uns höchstens erklären, warum wir uns heute so oder anders verhalten." Das kommt einer Kriegserklärung an viele Therapieansätze verdammt nah.

Geht er zum Schluss des ersten Kapitels auf Gefühle und diverse psychische Störungen ein, so ist der Beginn des zweiten Teils eine dezente Abrechnung mit dem aktuellen Therapiebetrieb. Ungeeignete, weil zur Empathie unfähige Therapeuten, falsche Behandlungsmethoden und in vielen Fällen Patienten, deren Lebensinhalt anscheinend in einer wie auch immer gestalteten Behandlung besteht, auf keine Fall jedoch im Willen zur Genesung. Leider, so wieder Dogs, spielen die zuständigen Institutionen dabei munter mit und Menschen, die wirklich psychologischer Hilfe bedürfen, fallen durch das Raster, da die Therapieplätze belegt sind. Klare Worte eines Insiders.

Trotz des an einen der üblichen Psychoratgeber erinnernden Titels gibt das Buch von Christian Peter Dogs und Ko-Autorin Nina Poelchau nicht nur für den Laien einen guten Überblick über Sinn und Unsinn von bestimmten Therapiemethoden. Dass es die Gegenwart als einzig richtigen Bezugspunkt für eine erfolgreiche Behandlung verortet und die Vergangenheit dort lässt, so sie hingehört, ist ein weiterer Pluspunkt dieser, von den üblichen Darstellungen angewandter Lebensratgeber abweichender Publikation.




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Veröffentlicht am 27.12.2017