Buchkritik -- Jean-Christophe Grangé -- Die Wahrheit des Blutes

Umschlagfoto, Jean-Christophe Grangé, InKulturA Wer hätte gedacht, dass sich hinter der Fassade eines Kriminalromans, ein spannender obendrein, zugleich die knallharte Analyse gruppendynamischer Prozesse in einer transkulturellen Ehe verbirgt?

Jean-Christophe Grangé ist genau dies mit seinem neuen Roman "Die Wahrheit des Blutes" gelungen. Als Kriminalthriller ist er routiniert und temporeich geschrieben. Der Pariser Polizist Passan, Einzelgänger und stets bereit zum Einsatz von körperlicher Gewalt, jagt einen Serienmörder. Er hat einen Verdächtigen im Visier, doch seine Vorgesetzten verbieten ihm weitere Ermittlungen, da sich Passan bei seinen Untersuchungen nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält. Zum Schluss ist es ihm sogar untersagt, sich dem Verdächtigen zu nähern.

Der Roman erzählt diesen Teil der Geschichte brillant und nur auf den letzten Seiten des Buches bekommt der Leser den Eindruck, als wolle Grangé seine Arbeit so schnell wie möglich beenden - vielleicht rückte der vertraglich festgelegte Abgabetermin beim Verlag bedenklich nahe. So ist der Schluss hastig hingeworfen und zuckersüß angelegt und hält damit die Spannung und die Raffinesse des ersten Teils nicht aufrecht.

Viel interessanter ist jedoch die Fähigkeit von Jean-Christophe Grangé, die Probleme einer transkulturellen Beziehung zu analysieren. Passan ist mit der Japanerin Naoko verheiratet und die Ehe steht kurz vor der Scheidung. Zwei Kulturen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, prallen in dieser Beziehung aufeinander. Japan, ein Land, dessen Befindlichkeiten, Traditionen und ungeschriebenen Regeln einen Europäer vor nicht geringe Herausforderungen stellen und Frankreich, eine Kultur, die laut, extrovertiert und egozentrisch daherkommt, treffen in der Beziehung zwischen Passan und Naoko aufeinander.

Sie, die der japanischen Kultur entfliehen will, bleibt doch im Herzen und in ihren Genen eine typische Japanerin, die zum Ende der Geschichte sogar bereit ist, in einem traditionellen japanischen Schwertkampf ihr Leben und das ihrer Kinder zu verteidigen.

Passan, fasziniert vor der japanischen Mentalität, die sich für ihn im Weg des Samurais, des Kriegers manifestiert, versucht dieses Ethos bewußt zu leben. Er ist dieser einsame Kämpfer, der versucht einen Ehrenkodex aufrechtzuerhalten, der sogar in Japan zunehmend in die Kritik gerät.

Dass sich aus diesen kulturellen Differenzen und Missverständnissen Probleme ergeben, ist evident. Dieses Thema bringt Jean-Christophe Grangé genau auf den Punkt. Der Leser erhält den Eindruck, dass es sich eigentlich um zwei Romane handelt. Einmal die Suche nach einem brutalen Mörder, der es auf schwangere Frauen abgesehen hat und zusätzlich die Szenen einer Ehe, die aufgrund von kulturell bedingten Vorurteilen und Irrtümern zu scheitern droht.

"Die Wahrheit des Blutes" von Jean-Christophe Grangé ist ein Kriminalroman der Extraklasse.




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