Buchkritik -- Tom Zürcher -- Der Spartaner

Umschlagfoto, Tom Zürcher, Der Spartaner, InKulturA Die Welt entsteht im Kopf und muss in Einklang gebracht werden mit der gelebten Wirklichkeit. Gelingt das nicht, dann droht schlimmstenfalls ein Aufenthalt in einem "Hotel ohne Fenster". In einem solchen finden wir in Tom Zürchers Roman "Der Spartaner" einen jungen Mann, der Schreckliches erlebt hat. Auf einem Treffen ehemaliger Klassenkameraden zog sein bester Freund - Spitzname Spartaner - eine Waffe und feuerte wahllos auf die Teilnehmer.

Nach diesen traumatischen Erlebnis in ein Sanatorium eingeliefert, führt der Mann penibel Buch über seine Behandlung und die Geschehnisse in dieser Einrichtung. Sein Leben, vor und nach der Tat, kreist um den Spartaner, der, seit er vor Jahren in die Klasse des jetzigen Patienten kam, bei ihm eine eigentümliche Faszination ausgelöst hat. In zahlreichen Gesprächen will eine Therapeutin jetzt herausfinden, warum und wie weit der Spartaner für die aktuelle Befindlichkeit ihres Patienten verantwortlich ist.

Tom Zürcher hat in diesem manchmal verstörenden Roman ein Vexierbild vermeintlicher Realität festgehalten, das den Leser zwingt, sich permanent auf wechselnde Positionen einzustellen, die, einerseits dem Wahn des jungen Mannes, andererseits den ambivalent scheinenden Möglichkeiten des Realen geschuldet sind.

Er ist gleichzeitig in Psychogramm gestörter Entwicklung, die der Fixierung auf einen vermeintlich über den Dingen stehenden Menschen geschuldet ist. So bedeutet das Auftauchen des Spartaners einen Bruch mit einer bis dahin stringent erscheinenden Welt, die durch die Persönlichkeit des neuen Schulkameraden Risse erhält und die Möglichkeit eines anderen Lebens im Bestehenden verspricht.

Doch, wie banal, das Leben geht weiter und aus Jugendlichen, die davon träumen alles, aber auch wirklich alles anders - und besser - zu machen als ihre Elterngeneration, werden Erwachsene, die in den vorgeformten Schienen und vorgenormten Spielregeln der Gesellschaft ihren Platz finden müssen und den, der sich weigert, ebenfalls seine desillusionierte Funktion zu erfüllen, als gestört und abweichend krank klassifizieren.

Doch was geschieht, und Tom Zürcher bleibt hier bewusst mehrdeutig, wenn der vermeintliche Außenseiter selber eine mit Problemen behaftete Person ist, die sich mit ihrer Attitüde des Andersseins letztendlich dem Leben entzieht?

"Der Spartaner" ist ein Roman, in dem vieles möglich scheint, wenig jedoch wahrscheinlich. Ständig wechseln die Perspektiven, bis am Schluss mit einer überraschenden Wende aufgewartet wird. Oder etwa doch nicht?




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Veröffentlicht am 23. April 2016