Am 3. Oktober 2022 erschien beim Braumüller Literaturverlag die Sammlung der Erzählungen „Der siebenarmige Leuchter“ des 2012 in Toronto verstorbenen Josef Škvorecký. Sieben autobiographisch geprägte Geschichten über die tschechisch-jüdisch-deutsche Welt in einer ostböhmischen Kleinstadt kurz vor der Katastrophe des nationalsozialistischen Wahnsinns.
Danny, das Alter Ego des Autors erzählt über eine Jugend, die Zeuge wird, wie der Rassenwahn der Nazis Einzug hält und Personen verhaftet werden, einfach verschwinden und letztendlich ermordet werden und die der Autor in seinen Erzählungen wieder zum Leben erweckt und damit deren Schicksal erneut vor den Augen der Leserinnen und Leser Revue passieren lässt.
Zusammen mit Rebekka, einer Überlebenden des Holocaust, die ihre Geschichte betont nüchtern, fast unbeteiligt und deshalb so schrecklich, so monströs wirkend, erzählt, taucht Kleinstadtleben wieder auf und mit ihm Skurriles und Humorvolles. Kindheitserlebnisse, Streiche und immer wieder das jugendliche Unverständnis darüber, warum ein die Familie behandelnder Arzt oder der Lehrer von einem Tag auf den anderen zu Ausgestoßenen der vormals fast heilen Welt werden.
Danny Erinnerungen werden auf brutale Weise durch die Erlebnisse Rebekkas kontrastiert, die wie harte Schnitte zwischen den sieben Erzählungen eingefügt sind und die das Leben der jungen Frau und später das der erwachsenen Überlebenden schildern. Gerade diese literarischen Zwischenschübe zeigen die fragile Welt einer Kleinstadt, in der sowohl vor, ganz besonders während, aber auch nach dem Naziterror Ressentiments zutage getreten sind und einmal mehr den dünnen Firnis der Zivilisation deutlich machen, der immer in Gefahr ist brüchig zu werden und den darunter stets existierenden destruktiven Kräften die Herrschaft ermöglicht.
„Der siebenarmige Leuchter“ vereint literarisch souverän die Schilderung einer scheinbar unbeschwerten Welt des heranwachsenden Danny mit der brutalen Realität derjenigen, die von einer verbrecherischen Diktatur zum Töten freigegeben wurden und nur mit viel Glück überlebt haben. Niemand dürfte diesen Erzählband nach der Lektüre unberührt aus der Hand legen.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 14. November 2022