Buchkritik -- Niall Ferguson -- Der Niedergang des Westens

Umschlagfoto, Der Niedergang des Westens , InKulturA Es ist immer etwas problematisch, wenn ein Autor eine von ihm gehaltene Vortragsreihe in Buchform auf den Markt bringt. Vorträge haben in der Regel einen wesentlichen Nachteil, sie sind so kurz gehalten, dass die Zuhörer sich entweder nicht langweilen oder, wenn sie einem üppigen Mahl folgen, das Auditorium nicht zu einem Verdauungsschläfchen verführen.

Leider ist das dem Buch von Niall Ferguson, einem ansonsten sehr pointierten Kritiker des politischen Zeitgeistes, anzumerken. Sein Thema und Titel ist nichts weniger als "Der Niedergang des Westens" und doch will sich für den Leser auf den gut 200 Seiten des Buches keine richtige Freude angesichts der Thesen des Autor einstellen.

Vier, so wie Niall Ferguson sie nennt, Blackboxes, sind die grundlegenden Institutionen der westlichen Welt: Demokratie, Kapitalismus, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft. An ihrem jeweiligen Zustand wägt der Autor ab zwischen Aufstieg und Niedergang des Westens oder wie er es im Untertitel seines Buches bezeichnet: "Wie Institutionen verfallen und Ökonomien sterben."

Leider erfährt der Leser nichts wesentlich Neues. Nur bei funktionierenden staatlichen Institutionen (Rechtsstaat, Demokratie) und privatem Engagement (Kapitalismus, Zivilgesellschaft) ist sowohl die bürgerliche Freiheit als auch die wirtschaftliche Prosperität gewährleistet. Staatsschulden sind, so Ferguson, ein "...Symptom des Betrugs an künftigen Generationen..." und die Demokratie dabei "...zu einer Herrschaft der Rechtsanwälte zu verkommen". Das wussten die Leser auch schon vor Ferguson...

Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch den Bürgern und der Allgemeinheit gut. Leider, so Ferguson, ist die Wirtschaft wegen der Überregulierung durch die Politik, genauer gesagt durch den Gesetzgeber, den Rechtsstaat, in ein Korsett gezwängt, dass sie daran hindert, für allgemeinen Wohlstand zu sorgen.

Auch wenn der Leser im Hinterkopf behält, das Niall Ferguson immer die anglo-amerikanischen Länder im Fokus seiner Aufmerksamkeit behält, wirkt seine Aussage, die Finanzkrise geschah trotz einer übertriebenen Regulierung der Finanzmärkte durch die Politik, doch mehr als fragwürdig.

Natürlich, und da ist ihm Recht zu geben, darf ein Gemeinwesen nicht zur Beute von Rechtsanwälten werden. Ferguson drückt es so aus: "Rechtsanwälte, die in dynamischen Systemen Revolutionäre sein könnten, werden im Westen zu Parasiten.". Das hört sich zwar gut an und ist ohne Frage seinem Publikum geschuldet, geht aber doch global betrachtet, an der Realität vorbei.

So sind es auch nicht in erster Linie die von Ferguson beklagten Defizite des Westens in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sondern, im Gegensatz zur Wahrnehmung Fergusons, ein deregulierter Finanzmarkt und, da ist dem Autor zuzustimmen, die Erosion der Zivilgesellschaft. Warum ausgerechnet die USA und Großbritannien für den Autor als Beispiele für politisch-rechtliche Behinderungen der Wirtschaft, bzw. des Kapitalismus stehen sollen, bleibt jedoch unklar.

"Der Niedergang des Westens" ist ein Loblied auf die heilsame Wirkung eines ungehemmten Kapitalismus. Was sind dagegen schon Menschenrechte und Pressefreiheit? Man könne ja, so die überaus mokante Bemerkung Fergusons, dann auch das "Recht auf guten Wein" einfordern. Schade, man ist bessere Analysen aus der Feder von Niall Ferguson gewohnt.




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