Buchkritik -- Hila Blum -- Der Besuch

Umschlagfoto, Hila Blum, Der Besuch, InKulturA Langjährige Beziehungen beinhalten Sprengstoff. Nichtausgesprochenes sammelt sich im Lauf der Zeit zu einer kritischen Masse, die, zusammen mit den kleinen Fallstricken des Alltags, irgendwann einmal zu einer großen Explosion führen kann.

Die Ehe von Nati, Computerfachmann, und Nili, literarische Übersetzerin, bildet da keine Ausnahme. Zusammen mit ihrer vierjährigen Tochter Asia leben sie in Jerusalem und bei ihnen wohnt auch noch die elfjährige Dida, das Kind aus Natis erster Ehe.

Hila Blum erzählt in ihrem Debutroman "Der Besuch" von den Höhen und Tiefen dieser seit neun Jahren währenden Ehe. Man lebt eigentlich ganz kommod in den eingerichteten Grenzen, die, durch vieles Nichtgesagte, dafür Sorge tragen, dass das Zusammenleben mehr oder weniger harmonisch verläuft.

Diese trügerischer Ruhe wird eines Tages durch den Anruf des Multimillionärs Duclos bedroht, der an eine einst in Paris ausgesprochenen Einladung des Ehepaars zu einem Essen in Jerusalem erinnert.

Nati und Nili hielten sich vor Jahren anlässlich einer spontanen Idee einige Tage in Paris auf und absolvierten das übliche Programm verliebter Touristen. Dazu gehörte auch der abendliche Besuch eines Nobelrestaurants, dessen Ende jedoch für das Ehepaar zu einer peinliche Angelegenheit wurde. Als Nati die Rechnung begleichen wollte, stellte er fest, dass er sein Portemonnaie mitsamt der Reisepässe verloren hatte. Duclos, der mit seiner weibliche Begleitung am Nebentisch saß, half dem Ehepaar aus, indem er kurzerhand die Rechnung bezahlte.

Wieder zuhause in Jerusalem mutierte das Pariser Erlebnis mehr und mehr zu einem gern erzähltem Ereignis, dessen Bedeutung für das Ehepaar bald verblasste. Mit dem Anruf ihres noblen Bekannten kommen allerdings auch die vergangenen Jahre wieder an die Oberfläche des Bewusstseins von Nili. Denn, sie hat es ihrem Mann niemals erzählt, Duclos sorgte am besagten Abend in Paris durch eine Bemerkung während einer kurzen Abwesenheit von Nati für bohrende Zweifel in Nilis Gefühlsleben.

Hila Blum seziert diese, sich in der Behaglichkeit des Verschweigens eingerichteten Beziehung. Sie beschreibt die kleinen, aber dafür manchmal tiefen Verletzungen, die während einer Beziehung oftmals gedankenlos vom Partner verursacht werden.

"Der Besuch" ist eine Reise durch den emotionalen Zustand Nilis, die, wohl aufgrund ihrer Tätigkeit als Übersetzerin von Romanen, es besser als ihr Mann versteht, sich und ihre Zweifel an der Beziehung zu artikulieren. Das Zusammenleben mit der Tochter aus der ersten Ehe Natis, die Pflege ihrer demenzkranker Mutter, Zweifel an der Treue ihres Ehemanns und die vielen anderen Dinge, die eine Beziehung belasten, stellen sie vor große Herausforderungen, denen sie sich nicht immer gewachsen fühlt.

Hila Blum versteht es ausgezeichnet, diese Schwingungen des Alltäglichen zum Ausdruck zu bringen. Mit der von ihr angewandten literarischen Leichtigkeit gelingt es vorzüglich, die Spannungen dieser Ehe zu schildern, ohne Partei zu ergreifen. Nili, aus deren Position heraus der Leser die Geschichte dieser Ehe kennenlernt, beschreibt einen oftmals zermürbenden Alltag, spart jedoch auch nicht mit komischen Situationen, die nicht nur einmal die Spannung des Unausgesprochenen zu lockern verstehen.

"Der Besuch" ist ein Roman über eine ganz normale Familie, wie sie es wohl zu Tausenden geben dürfte. Ihre beiden Protagonisten stehen zwar mit beiden Beinen im Leben und demonstrieren nach außen Stärke und Lebenskraft, doch hinter der Fassade der Normalität lauert stets die Frage, warum es ausgerechnet so und nicht anders gelaufen ist.

Hila Blum hat in ihren Erstlingswerk mit leichter Feder einen tiefgründigen Roman über das Innenleben einer Ehe vorgelegt. Man darf auf die folgenden Bücher dieser neuen Autorin gespannt sein.




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Veröffentlicht am 30. August 2014