Buchkritik -- Christoph Braunschweig -- Die demokratische Krankheit

Umschlagfoto  -- Christop Braunschweig  --  Die demokratische Krankheit Selten waren die Begriffe und Vorstellungen vom Marktgeschehen so verwirrt wie heute. Man spricht von der Euro- und Bankenkrise und von der Finanz- und Schuldenkrise. Die Rede ist von einer Euro- und Bankenrettung und von der Bewältigung der Schuldenkrise. Die Kakophonie der Termini wird nur noch überboten vom atonalen Konzert aufgeregter, aber zunehmend hilfloser Politiker. Auf einmal erweisen sich alle seit Jahren lieb gewordenen Floskeln von Wachstum und Stabilität als Makulatur und sowohl politisch als auch wirtschaftlich stehen die westlichen Systeme vor einem finanziellen Scherbenhaufen.

In den Augen der meisten Bürger sind die Schuldigen längst ausgemacht. Im Zusammenspiel mit, man ist versucht zu sagen, gleichgeschalteten Zeitungs- und Fernsehredaktionen wird die hemmungslose Gier verantwortungsloser Banker als Auslöser für die aktuelle Krise ausgemacht. Beispielhaft für diese gelungene Fehlinformation ist die Occupy-Bewegung, die die Banken generell für alle Übel dieses Planeten in Haftung nehmen will.

Dass es so einfach nicht ist und dass die Ursachen der Krise ganz woanders zu verorten sind, als die Meisten glauben, zeigt das Buch "Die demokratische Krankheit" von Christoph Braunschweig. Es räumt gründlich auf mit den lieb gewordenen Vorstellungen vom fürsorglichen Staat, dessen tiefe Eingriffe in den Markt die aktuelle Krise seit Jahren befeuert. Die Abkehr von den Prinzipien der Marktwirtschaft, der Autor führt oft und gern den Erfolg der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik unter Ludwig Erhard an, ist der eigentliche Auslöser der derzeitigen desaströsen finanziellen Situation.

Das deutsche Wirtschaftswunder war weniger ein Geschenk der Götter, sondern das Produkt bzw. der Erfolg eines angewandten Liberalismus. Diese Erfolgsbilanz weckte naturgemäß politische Begierden und infolge dessen schickte der Staat sich an, seine Bürger zunehmend mit sozialen Wohltaten zu überschütten, zu deren Finanzierung das Steueraufkommen nicht mehr in der Lage war.

Genau an dieser Stelle verortet Christoph Braunschweig den Beginn der demokratischen Krankheit. Bürger und Politik haben eine verhängnisvolle Allianz geschlossen. Aufseiten Ersterer eine mit den Jahren gestiegene Erwartungshaltung bezüglich "sozialer Gerechtigkeit" an die Politik, die diese, Braunschweig nennt es Wählerbestechungsdemokratie, nur all zu gern erfüllt hat. Die Tatsache, dass, um es mit den Worten der so in Ungnade gefallenen schwäbischen Hausfrau auszudrücken, mehr ausgegeben wird, als eingenommen, ist das Grundübel und die finanzielle Büchse der Pandora. Blieb in der mythischen Büchse wenigstens noch die Hoffnung gefangen, so ist diese in der aktuellen Situation längst entwichen.

Die Bürger werden es nicht gern hören, aber deren Anspruchshaltung gegenüber dem treu sorgenden Staat ist stetig gewachsen. Öffentlicher Nahverkehr? Bitte jedoch zu niedrigen Tarifen. Öffentliche Schwimmbäder? Na klar, aber bitte keine hohen Eintrittspreise. Abschalten aller Kernkraftwerke und die sofortige Energiewende? Macht die Politik sehr gern. Leider benötigt sie dazu mehr Geld, als es das Steueraufkommen hergibt. Wenn die herrschenden Eliten sich das Volk gewogen machen wollen, dann läuft das nicht über eine gute Politik, sondern über Subventionen. Verkauft wird das als "soziale Gerechtigkeit" und ist doch in Wirklichkeit der sichere Weg ins Verderben.

Für Geschenke an die politische Klientel wird gern auf die Hilfe der Banken zurückgegriffen, die sich auch willig zeigen, den Forderungen der Politik nach frischem Geld nachzukommen. Nicht verantwortungsbewusstes politisches Handeln ist derzeit angesagt, sondern das Anwerfen der Gelddruckmaschine.

Auf diese Weise jagt eine Blase die andere und alle zerplatzen mit schöner Regelmäßigkeit. Zuletzt und als Auslöser der globalen Finanzkrise, die Immobilienblase in den USA, mit deren Hilfe, genauer gesagt, mit deren teilweise krimineller Energie Menschen zu Krediten kamen, die über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügten.

Nur die radikale Kehrtwende kann, so Christoph Braunschweig, die drohende Katastrophe abwenden. Rückkehr zum klassischen Liberalismus und damit zu marktwirtschaftlichen Prinzipien. Der Staat muss sich auf seine ordnungspolitische Funktion zurückziehen und alles andere den Verbrauchern überlassen. Das erfordert natürlich im Umkehrschluss auch vom Bürger tätige Mitarbeit. Erst wenn der Bürger ein wirklich mündiger wird, wenn er sich seiner Stärke bewusst wird und den Staat in seine Schranken weist, dann wird ein Ausweg aus der Krise gefunden sein.

Die Medizin gegen die demokratische Krankheit ist bitter und das derzeitige politische Personal ist zu einem Systemwechsel nicht bereit. Sind es die Bürger?




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