Buchkritik -- Jürgen Oskar Brauerhoch -- Der Hitler, die Russen und ich

Umschlagfoto  -- Jürgen Oskar Brauerhoch  --  Der Hitler, die Russen und ich In einer Zeit, die geprägt ist von Schnelllebigkeit, Oberflächlichkeit und dem Mangel am Gespür für die Bedeutung individueller Geschichtlichkeit, ist es nicht verwunderlich, wenn bereits 25-jährige Popsternchen, deren Bedeutung bestenfalls als ephemer zu beurteilen ist, ihre Biografie schreiben(lassen). Überhaupt ist es bedauerlicherweise ein Ausdruck des schon seit Jahrzehnten währenden Jugendwahns, die Kontinuität der Generationenfolge zu leugnen und aufgrund dessen die Kommunikation mit verschiedenen Altersklassen eingestellt zu haben. Seit dem Ende der 60er Jahre ist das Bewußtsein für die eigene Geschichte, eingebettet in der Abfolge der Geschlechter, obsolet geworden.

Dass es sich jedoch lohnen kann, die Gedanken und Erinnerungen derjenigen, die vor uns geboren wurden, zur Kenntnis zu nehmen, zeigt der kleine Band Der Hitler, die Russen und ich von Jürgen Oskar Brauerhoch. Der Autor, 1932 geboren, schildert sein Leben, seine Erfahrungen, seine Erfolge aber auch sein Scheitern unprätentiös und ohne Selbstmitleid, dafür aber mit einer gehörigen Portion Selbstironie.

Aufgewachsen in der Zeit des Nationalsozialismus, in der augenscheinlich auch normale Kindheiten möglich waren, liegt es dem Autor fern, das Dritte Reich als Entschuldigung für sein weiteres Leben zu benutzen. Darin hebt er sich wohltuend von vielen anderen Autoren seiner Generation ab.

Nach dem Zusammenbruch Deutschlands kamen erst die Amerikaner, dann die Russen, die Brauerhochs Heimat dauerhaft unter politische Kuratel nahmen. Das Leben war hart aber zu bewältigen. Als Repressalien drohten, fiel, wie bei anderen auch, die Entscheidung gen Westen zu ziehen. Hier wurde eine neues, anderes Leben begonnen.

Was diesen kleinen Band so überaus lesenswert macht, ist die gefühlte Ehrlichkeit des Autors. Es steht nicht die eigene Person monolithisch im Vordergrund, sondern immer behält der Autor den Bezug zur persönlich empfundenen Zeit. Da stand eben in den 70er Jahren der Beruf und die Selbständigkeit im Vordergrund und, wie der Autor ehrlich schreibt, die politischen Entwicklungen gingen dabei aus dem Blick. Wer sich die Zeit nimmt und seine Eltern oder Großeltern befragt, wird die gleiche Antwort erhalten. Das Essen musste auf den Tisch, die Kinder bekleidet und die Miete bezahlt werden. Die Konsequenzen dessen nahm man erst aus der Distanz des Alters richtig zur Kenntnis.

Der Autor verklärt sein Leben nicht und macht den Umständen auch keinen Vorwurf, dass manches besser gelang als anderes. Man spürt diesen Erinnerungen an, dass sie von einem Menschen geschrieben worden sind, der die Fähigkeit besitzt, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Der Rückblick zeigt, dass alles, Erfolg und Scheitern, im notwendigen Verhältnis zueinander stand und zur rechten Zeit auch manchmal der Zufall fördernd eingegriffen hat.

Vielleicht sollten die Vertreter der jüngeren Generationen sich einmal die Zeit nehmen, um ihre "Zeitzeugen" zu befragen. Sie würden ähnliche Lebensläufe hören. Diese Erinnerungen habe ich auf jeden Fall mit Gewinn gelesen.




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