Buchkritik -- Dieter Birnbacher -- Tun und Unterlassen

Umschlagfoto, Dieter Birnbacher, Tun und Unterlassen, InKulturA Dem Handeln wird in der Regel eine signifikant höhere Bedeutung zugemessen als dem Nichthandeln. Die Konsequenzen des Tuns, werden, im Gegensatz zu denen des Unterlassens, sowohl in der Rechtsprechung als auch in moralisch-ethischen Diskussionen strenger bewertet.

In seinem bereits im Jahr 1995 im Reclam-Verlag erschienenen und jetzt in einer überarbeiteten Ausgabe vom Alibri-Verlag herausgegebenen Buch "Tun und Unterlassen" beschäftigt sich Dieter Birnbacher mit drei zentralen Themen. Die Analyse des Unterlassungsbegriffs, die Problematik in der Diskussion über die Kausalität von Unterlassungen und die Wertung von Unterlassungen, gemessen an den Folgen positiver Handlungen.

Auch umgangssprachlich besteht eine Differenz zwischen Tun und Unterlassen oder, wie Birnbacher es formuliert "Wer einen anderen vorsätzlich belügt oder betrügt, indem er ihm Märchen auftischt, wird gemeinhin strenger moralisch verurteilt als wer einen anderen durch das Verschweigen wichtiger Tatsachen wissentlich im Irrtum lässt."

Dabei, so betont der Autor in Bezug auf die rechtsethischen Konsequenzen, die aus der Frage nach der Strafbarkeit von Unterlassungen resultieren, "Zwischen der moralischen und der strafrechtlichen Beurteilung von Unterlassungen besteht kein einfaches Abbildungsverhältnis. Da strafrechtliche Sanktionen mit sehr viel höheren individuellen und sozialen 'Kosten' verbunden sind als lediglich moralische Sanktionen, müssen die Bedingungen für die Strafbarkeit sehr viel enger gefaßt sein als die Bedingungen für die moralische Inakzeptabilität. Daß eine Unterlassung moralisch zu verurteilen ist, ist kein hinreichendes Argument dafür, sie auch unter Strafe zu stellen."

In insgesamt neun Kapiteln und unter Darstellung vieler Fallbeispiele diskutiert Dieter Birnbacher die Frage, ob die Abgrenzung zwischen Handeln und Unterlassen per se moralisch relevant ist und weitet seine Untersuchungen dahingehend aus, die Normen zu untersuchen, die ein Tun - oder ein Unterlassen - vorschreiben.

Während die ersten acht Kapitel des Buches sich eher an ein fachlich geschultes Lesepublikum richten, ist der letzte Abschnitt "Aktive und passive Sterbehilfe" einem hoch aktuellen und brisanten, weil sowohl emotional als auch ideologisch-religiös befrachtetem Thema gewidmet, das auch für den juristischen oder medizinisch-ethischen Laien von Interesse sein dürfte.




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Veröffentlicht am 30. August 2015