Buchkritik -- John Carreyrou -- Bad Blood

Umschlagfoto, Buchkritik, John Carreyrou, Bad Blood, InKulturA Kein anderer Ort als das Silicon Valley symbolisiert den Traum jedes Start-up-Unternehmers von Erfolg und Reichtum. Unternehmen wie Facebook, Google, Amazon, Apple und viele andere haben hier mit ihren Innovationen für Meilensteine des digitalen Zeitalters gesorgt. Nirgendwo anders wird mit solch atemberaubendem Tempo an den technologischen Möglichkeiten der Zukunft geforscht und gearbeitet.

Doch der Grat zwischen Erfolg und Scheitern ist schmal und die Verlockung mit der Entwicklung von revolutionären Produkten Eintritt in den Olymp der globalen Player zu erlangen, weicht mitunter moralische Standards auf und führt, wie im Fall der Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes, sogar zu einer Anklage wegen Betrug.

Es wurde ein Produkt in Aussicht gestellt, das vielen Menschen die Angst vor unangenehmen bis schmerzhaften Blutabnahmen nehmen sollte. Ein von ihrer Firma entwickelter Abnahmestift zapft, so das Versprechen Holmes, eine geringe Menge Blut aus der Fingerspitze und analysiert mithilfe eines Lesegerätes diverse Krankheiten. Die Idee klang nicht nur für Risikokapitalgeber verlockend und die illustre Schar von Persönlichkeiten, u. a. George Schultz und Henry Kissinger, die sich im Board – nur unzulänglich mit "Aufsichtsrat" oder "Vorstand" zu übersetzen – des Unternehmens befanden, sorgten für einen guten Leumund und spülten Geld in die Kassen von Theranos.

Der investigative Journalist beim Wall Street Journal, John Carreyrou, hat Aufstieg und Fall von Elizabeth Holmes in seinem Buch dokumentiert. Im Herbst 2003 bricht die 19-jährige Holmes ihr Chemie- Studium an der Stanford-Universität ab und gründet Theranos. Bereits 2005 wird der Wert des Unternehmens auf mehr als 30 Millionen US-Dollar geschätzt. Im Juni 2006 wird sie vom US-Wirtschaftsmagazin Inc. zu den 30 vielversprechendsten Unternehmern unter 30 Jahren gezählt. Im März 2015 besteht das Kapitalvolumen aus ca. 686 Millionen US-Dollar. Ende 2015 erscheint im Wall Street Journal ein Artikel, der sich kritisch gegenüber der Wirksamkeit des von Theranos entwickelten Geräts äußert. Im Juni 2018 wird gegen Holmes Anklage wegen Betrug erhoben und drei Monate später das Unternehmen aufgelöst.

„Bad Blood“, die Dokumentation dieses, auch für US-amerikanische Verhältnisse beispiellosen Schwindels, liest sich nicht nur wie ein Wirtschaftskrimi, sondern ist vielmehr ein sezierender Einblick in die Funktionsweise des Kapitalismus angloamerikanischer Spielart. Eine Geschäftsidee und ein Produkt, das in den Vorstellungen der Investoren Millionengewinne versprach, eine eloquente und willensstarke Persönlichkeit, die es verstand Kapitalgeber zu faszinieren und ein System, das, trotz bereits früh geäußerter Warnungen, alle Kontrollmechanismen außer Acht ließ und der Verlockung auf enormen Gewinn zum Opfer gefallen ist.

Elizabeth Holmes, die sich selbst gern als weiblicher Steve Jobs inszenierte, und ihrem Partner gelang es, John Carreyrou beschreibt es dezidiert, die US-amerikanische Hochfinanz jahrelang mit immer neuen vollmundigen Versprechen zu täuschen und letztendlich zu betrügen. Gleichzeitig zeigt er die Mechanismen, die dafür Sorge tragen, dass kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden. Anwaltskanzleien, zu deren Praktiken Einschüchterung und Rufmord gehören, werden in Marsch gesetzt, um Zeugen zu kompromittieren und deren Beweggründe zu diskreditieren. Wer sich gegen Betrug und in Aussicht gestellte Millionengewinne entscheidet, braucht ein dickes Fell – und jede Menge Geld für eigene Anwälte.

„Bad Blood“ ist eine Chronik der dunklen Seite der Start-up Hype, die so manche literarische Fiktion in den Schatten stellt.




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Veröffentlicht am 7. April 2019