Buchkritik -- Barbaros Altuğ -- Sticht in meine Seele

Umschlagfoto, Buchkritik, Barbaros Altuğ, Sticht in meine Seele, InKulturA Derin, eine Journalistin, lebt und arbeitet in Paris. Als sie von ihrer Redaktion den Auftrag erhält, in Istanbul über die Beisetzung eines ermordeten Kollegen, Hrant Dink, ein Armenier mit türkischer Staatsbürgerschaft, zu schreiben, nimmt sie diesen nur widerwillig an, denn seit Jahren hat sie, in der Türkei geboren, ihre Heimat längst in Europa, in Paris gefunden. Am Abend vor ihrem Abflug lernt sie einen älteren Mann kennen, dessen Lebensgeschichte ihre Reise in die Türkei auf einmal unter einem völlig anderen Blickwinkel erscheinen lässt.

Dort angekommen, in einem Land, das ihr fremd und vertraut zugleich ist, beginnt sie mit ihrer Recherche, die sie bis in die armenische Hauptstadt Eriwan und zugleich tief in die Geschichte ihrer eigenen Familie führt und Unbekanntes und Verdrängtes zutage fördert.

Barbaros Altuğ erzählt in seinem Roman nicht zuletzt über den türkischen Genozid an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs, bei dessen Massakern und Todesmärschen in den Jahren zwischen 1915 und 1916 und den beiden vorangegangenen Jahrzehnten über eine Million Menschen getötet wurden. Bis heute ist es in der Türkei verboten, hinsichtlich dieser Verbrechen von einem Genozid zu sprechen.

Derin wird während ihrer Recherchen klar, dass auch ihre Familie zu den Opfern politischer Willkür und Grausamkeit zählte und es erschließt sich ihr sukzessive eine Geschichte, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart spürbar sind. Wenn Verleugnung der Herkunft das einzige Mittel ist, um in einem Land wie der Türkei seine berufliche Zukunft nicht zu gefährden oder eben die Herkunft diese erst gar nicht erlaubt, dann, so stellt es die Journalistin am Ende fest, finden sich die Generationen über die Jahrzehnte hinweg, durch Brutalität und Grausamkeit eine Brücke in die Gegenwart geschlagen, vereint im Schmerz des Erlebten und Erlittenen.

„Sticht in meine Seele“ ist ein mit unaufdringlicher Diktion geschriebener Roman, der nichtsdestotrotz die Schrecken des unvorstellbaren Verbrechens an den Armeniern darstellt.




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Veröffentlicht am 11. April 2020