Buchkritik -- Stephan Berndt -- Hellseher und Astrologen im Dienste der Macht

Umschlagfoto  -- Stephan Berndt Es gibt wohl keinen Menschen, den nicht interessieren würde, was die Zukunft für ihn bereithält. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben Astrologen gerade in Zeiten der Krise, in denen Bewährtes anscheinend keine Hilfe mehr bietet, in denen das Bisherige keine Gültigkeit mehr zu besitzen scheint und die einen Wechsel der Paradigmen ankündigt, Hochkonjunktur.

Man könnte, je nachdem welchen Standpunkt man über die Zuverlässigkeit und die Fähigkeiten von Astrologen, bzw. die generelle Möglichkeit des Vorhersagens einnimmt, sich entweder amüsiert abwenden, oder, und das ist wohl die häufigste, menschlich, allzu menschliche Reaktion, klammheimlich das eigene Horoskop in der Zeitung lesen. Solange die Resultate und der Einfluss von Voraussagen und Prophezeiungen die Sphäre des Privaten nicht verlassen, wird auch der größte Skeptiker der Astrologie den daran Glaubenden bestenfalls mit einem mitleidsvollen Lächeln begegnen.

Wenn sich jedoch die Astrologen den Zirkeln der Macht nähern oder besser ausgedrückt, von den Mächtigen dieser Welt um Rat und Auskunft gebeten werden, dann wird damit eine Grenze überschritten, die der öffentlichen Aufmerksamkeit bedarf. Stephan Berndt geht in seinem Buch Hellseher und Astrologen im Dienste der Macht der Geschichte und dem Einfluss der Astrologie auf Herrscher und Politiker nach.

Der Autor zeigt, welchen Einfluss Seher, Orakel und Sterndeuter auf die Geschicke der großen Reiche in vorwissenschaftlicher Zeit besessen haben. Die Raben Odins in der germanischen Mythologie, das Orakel von Delphi in Griechenland, die Haruspices der Römer und die Prophezeiungen des Nostradamus zeigen, welchen Macht den Vorhersagen zugemessen wurde. Auch lange nach der europäischen Aufklärung hielt der Einfluss der Astrologie auf die Politik an. Die Macht des russischen Wanderpredigers Rasputin auf Zar Nikolaus II. und dessen Familie belegt, welche Autorität medial begabte Menschen ausüben konnten.

Auch das 20. Jahrhundert war keinesfalls ausschließlich der Vernunft und realpolitischen Entscheidungen unterworfen. So widmet dann auch Stephan Berndt einen großen Teil seines Buches den Astrologen des Dritten Reiches. Die stark an Horoskopen interessierten Rudolf Heß und Heinrich Himmler waren nur die Spitze einer, im gesamten Führungsstab der Nationalsozialisten etablierten okkulten Bewegung. Die Frage, ob und inwieweit Adolf Hitler ebenfalls dem Einfluss astrologischer Kreise zugänglich war, bleibt, so jedenfalls Stephan Berndt, weiteren Untersuchungen überlassen. Tatsache ist, und das betont der Autor, dass der Einfluss okkulter Interessengruppen weitaus größer gewesen ist, als es die historische Forschung wahrhaben will.

Hitler und die Hauptverantwortlichen des Nationalsozialismus waren jedoch in "guter" Gesellschaft, da sowohl für Winston Churchill als auch für Josef Stalin, so jedenfalls die Aussagen von Zeitzeugen, Kontakte mit medial veranlagten Personen nachgewiesen sind. Als die alliierten Vorbereitungen zur Landung in der Normandie anliefen, wurde das britische Medium Helen Duncan sogar kurzfristig in staatlichen Gewahrsam genommen - sprich verhaftet - und eine Anklage aufgrund des Verstoßes gegen einen aus dem Jahr 1735 stammenden Hexenparagraphen formuliert. Churchill soll über die Anschuldigung sehr erbost gewesen sein...

Weitere illustre Namen von Politikern, die sich gern astrologisch haben beraten lassen, sind Ronald Reagan und François Mitterand. Spätestens bei diesen Politikern beschleicht dann auch den Leser ein mulmiges Gefühl. Immerhin hatten sowohl Reagan als auch Mitterand die Finger am nuklearen Abzug.

Ob der Leser nun an den Einfluss von Sternkonstellationen auf das menschliche Leben oder das Eintreffen von Prophezeiungen glaubt oder in Abrede stellt, Tatsache ist und bleibt, dass Hellseher und Astrologen einen nicht zu leugnenden Einfluss auf die Mächtigen dieser Welt ausgeübt haben.

Stephan Berndt führt sein Lesepublikum gewandt, eloquent und sprachlich locker durch die Welt der Seher und derjenigen, die gern sehen lassen wollen. Hellseher und Astrologen im Dienste der Macht schließt sich nahtlos an die bisherigen zwei Veröffentlichungen des Autors zum Thema Prophetie an. Besonders angenehm fällt die Tatsache ins Gewicht, dass Berndt, obwohl selber dem Thema eher positiv-skeptisch zugewandt, doch die notwendige Distanz besitzt, um mit Humor und Nonchalance über die manchmal doch argen "Fehlsehungen" zu berichten. Ein rundherum gelungenes Buch.




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