Buchkritik -- Bernd und Luise Wagner -- Berlin für Arme

Umschlagfoto  --  Bernd und Luise Wagner  --  Berlin für Arme Endlich hat es ausser mir noch jemand begriffen: Hartz IV ist super! Es wurde höchste Zeit, daß sich ein ambitioniertes Vater-Tochter Gespann dieses leidigen Themas annahm. Bernd Wagner, laut Kurzbiographie Schriftsteller und Gelegenheitsarbeiter hat zusammen mit Luise Wagner, zur Zeit freiberufliche Weltreisende, ein Buch veröffentlicht, daß endlich Schluss macht mit der permanenten Meckerei über die neue Form der öffentlichen Alimentation.

In ihrem Buch Berlin für Arme zeigen sie, daß es überhaupt keinen Grund gibt, sich über das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" zu beklagen. Zeit war ja bekanntlich schon immer Geld und gerade in diesen Zeiten ist sie im Rahmen der verordneten Globalisierung zu einem nahezu unbezahlbaren Luxus geworden. Weshalb also jammern und wehklagen über die staatliche Überlebenshilfe, wenn sie doch den Betroffenen zu einem, freilich nicht von allen gewürdigten, beträchtlichen Teil an frei zur Verfügung stehender Zeit verhilft.

Böse Zungen könnten vielleicht den Einwand erheben, daß der Sinn des Lebens doch gerade darin besteht, ihn in einer sinnvollen vielstündigen Tätigkeit zu suchen und dazu auch noch betonen, daß Arbeit die mit 1 Euro pro sinnvoll verbrachter Stunde doch geradezu fürstlich belohnt wird, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können.

Alles Mumpitz. Die Wagners wissen und können es besser. Sie geben ein Rezept für alle diejenigen, die sich als stolze Besitzer eines gut gefüllten Zeitkontos betrachten, welches sich überdies noch im Selbstversuch bewährt hat. Welche Dinge braucht der Mensch? Eine Wohnung, die zahlt Bruder Hartz. Nahrung, die wächst auf der Wiese und am Waldesrand und außerdem gibt es preiswerte und trotzdem gesunde Nahrungsmittel im Supermarkt. Kleidung, da helfen Geschäfte, die ein üppiges und preiswertes Angebot an gebrauchter Kleidung bereithalten - der Retro-Look ist außerdem en vogue. Verbilligte Eintrittskarten für Museen und kulturelle Veranstaltungen sorgen dafür, daß keine Langeweile aufkommt. Reisen, dafür gibt es die Angebote der Billigflieger. Nur die Brote muss man selber mitnehmen.

Im Gegensatz zum Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, der Hartz IV Empfängern eine Speisekarte unter der Rubrik "Geiz ist geil" empfahl, legen die Autoren Wert auf einen gewissen Stil. Wenig in der Brieftasche zu haben ist noch lange kein Grund um schlecht essen zu müssen. Da haben sie vollkommen recht. Mit Phantasie und Witz schildern sie eine Möglichkeit zu leben, ohne daß es gleich eine Frage des Überlebens wird.

Mal launig, mal charmant legen sie einen Ratgeber der etwas anderen Art vor. Augenzwinkernd Hartz IV als Chance begreifen. Einen oder zwei Gänge hinunter schalten und die gewonnene Zeit für sich und eine andere Art des Lebensrhythmus gewinnen. Das kann gelingen. Leben ist das, was daraus gemacht wird. Meckern tun nur die Dummen.




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