Buchkritik -- Bernhard Lewis -- Die Wut der arabischen Welt

Umschlagfoto  -- Bernhard Lewis  -- Die Wut der arabischen Welt Das 21. Jahrhundert sieht sich mit politischen und religiösen Strömungen konfrontiert, welche der Teil der westlichen Welt, der sich aufgeklärt nennt, schon längst überwunden geglaubt hatte. Die Attentate auf die Türme des World Trade Center in New York waren die bis jetzt offenkundigsten Beweise für die neue Dimension eines sich militant gebenden Islamismus, der den Werten der westlichen Welt den Kampf erklärt hat.

Bernhard Lewis beschreibt in seinem Buch Die Wut der arabischen Welt den Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen, der schon seit Jahrhunderten schwelt und in unserer Zeit an Schärfe zugenommen hat. Ist es bei politischen Ideen und Philosophien noch halbwegs einfach, Gründe für politisches Handeln aufzuzeigen und es in der Regel eine strikte Trennung zwischen den theologischen Bedürfnissen und den politischen Realitäten gibt, so ist der Fall des Islam ein vollkommen anderer.

Gibt es im klassischen westlichen Politikverständnis die strikte Trennung zwischen Kirche und Staat, so ist es im Islam nicht möglich zwischen beiden zu trennen. Er ist sowohl Staats- als auch Religionslehre. Alle Gesetze und Handlungsnormen sind in einem einzigen Werk, dem Koran, niedergeschrieben. Er dient sowohl als Gesetzbuch, wie auch als theologische Offenbarung. Genau hier liegt für Lewis auch das eigentliche Problem. War der Islam lange Zeit in kultureller und politischer Hinsicht führend, haben sich doch die Verhältnisse seit dem 17. Jahrhundert grundlegend verändert.

Es gelangen der christlichen Welt bis dahin ungeahnte Fortschritte in den Wissenschaften, denen die islamische Welt nichts entgegenzusetzten hatte. Der fortschreitende Laizismus der westlichen Welt befreite das Denken und Handeln von überholten Fesseln. Der Westen begab sich auf die abenteuerliche Reise des Geistes. Neue Formen der Wissenschaft, des Handels und des Individuums betraten die Bühne der Weltgeschichte. Der Islam wurde auf allen Gebieten überholt. Aktuelle Wirtschaftsdaten belegen dies auf erschreckende Weise. Islamische Länder belegen im wirtschaftlichen Vergleich die letzten Plätze.

Die islamische Welt verharrte, so Lewis, in einer glorifizierenden Rückwärtsschau und verlor dadurch den Wettbewerb um die Zukunft. Das Experiment Islam erwies sich als gescheitert. Die Einheit von Theologie und Politik führte zu einer Jahrhunderte währenden Lähmung. An dieser Stelle wird auch deutlich, daß der Titel der deutschen Übersetzung eigentlich nicht treffend ist, sondern man lieber den Originaltitel wortgetreu hätte übersetzen sollen. Die Krise des Islam, dies trifft das Problem weitaus besser. Während sich der Westen in rasantem Tempo weiterentwickelte, gelang es dem Islam niemals wirklich die neuen Herausforderungen anzunehmen.

In diesem klaren Bewußtsein des eigentlichen Scheiterns, liegt die Wurzel des islamischen Terrors. Unabhängig davon, ob die westliche Welt in all ihren positiven wie auch negativen Aspekten wirklich ein Gewinner ist, so stellt sie sich für den Islam als Bedrohung dar, die bekämpft werden muß. Einen wirklichen Wettbewerb der Ideen kann es nicht geben, denn im eigenen, klassischen Selbstverständnis des Islam, ist dieser bereits der Sieger.

Die eigentliche Krise liegt deshalb auch nicht im Islam, denn dieser hat den Kampf um die Zukunft bereits verloren. Auch wenn es ihm gelingen würde, Teile der westliche Welt zu unterwandern, würden dort die Errungenschaften technischer und geistiger Art verkümmern. Alle neueren Regimewechsel, deren Ziel es war, eine islamische Republik zu etablieren, brachten wirtschaftliche und wissenschaftliche Rückschritte mit sich. Die wirkliche Krise liegt, wie so oft, in der westlichen Kultur selber. Zu lange hat sie es aus falscher Toleranz zugelassen, daß eine schleichende Islamisierung ihre Gesellschaften bedroht. Der global überwunden geglaubte religiöse Fundamentalismus feiert seine (un)freundliche Rückkehr.




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