Buchkritik -- Thomas Beckstedt -- 1888

Umschlagfoto, Thomas Beckstedt, 1888, InKulturA In den letzten Oktobertagen des Jahres 1922 erhält George ein mysteriöses Paket aus Delhi. Auf der Verpackung befindet sich keine Absenderangabe und erst nach dem Öffnen, das ihm ein Sammelsurium von Papieren, Notizen und Tagebüchern beschert, erfährt Georg den Namens desjenigen, der die Sendung im fernen Indien aufgegeben hat.

1914 lernte Georg im Schweizer Engadin Richard Rollet und seine Frau Maria kennen. Hierher hatte er sich nach dem Großen Krieg begeben, um den Spuren Friedrich Nietzsches zu folgen. Ausgerechnet Richard Rollet, der 1888 in einem spektakulären Prozess in Wien wegen zweifachen Mordes zum Tode verurteilt wurde, schickt Georg sämtliche Aufzeichnungen und Notizen, die er bezüglich seines Prozesses gemacht hat und fordert seinen Bekannten auf, daraus ein Buch zu machen, das die wahre Geschichte des Dr. Richard Rollet erzählt. Neugierig geworden, beginnt Georg mit der Lektüre und wird, fast gegen seinem Willen, hineingezogen in eine Geschichte, die auch ihn hart an den Rand des Wahnsinns treiben wird.

Thomas Beckstedt hat mit "1888" einen spannenden Roman geschrieben, der, oberflächlich betrachtet ein Krimi, in seiner Tiefe jedoch ein Kaleidoskop aus menschlichen Abgründen und fatalen Hörigkeiten ist und dessen Personen, die nur selten eindeutig und klar strukturiert zu handeln scheinen, sondern, hin und her geworfen von den Zwängen ihrer eigenen Psyche, sich in dramatischen Verstrickungen wiederfinden, deren Auflösungen oftmals weit über die individuellen Kräfte der einzelnen Protagonisten hinausgehen.

Je länger sich Georg in die Geschichte vertieft, desto mehr schwindet sein Bezug zur Realität und auch der Leser wird, dafür sorgt das fulminante stilistische Arrangement des Autors, förmlich in eine Geschichte hineingezogen, welche die Grenze zwischen Wahnsinn und Realität nur noch verschwommen sichtbar werden lässt.

Nicht nur die Freunde des literarisch anspruchsvollen Kriminalromans kommen mit Thomas Beckstedts "1888" zu einem Lesevergnügen der besonderen Art.




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Veröffentlicht am 2. Mai 2015